Die Niedersächsische Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben heute das fünfte gemeinsame Lagebild von Polizei und Justiz zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen vorgestellt. Das Lagebild zeigt, dass die Zahlen im zweiten Jahr rückläufig sind. Dennoch bleibt die Gefährdung durch Clankriminalität bestehen.
Kriminelle Clanstrukturen sind gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, dieses zeichnet sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung aus. Sogenannte Clans zeichnen sich darüber hinaus durch eine starke Auslebung eines familiären Ehrbegriffs aus, der bei innerfamiliären Verstößen zu Sanktionierungen führen kann.
Allgemein werden familieninterne Normen über das geltende offizielle Gesetz und die Verfassung gestellt, weshalb das Bundeskriminalamt (BKA) Clans als ethnisch abgeschottete Subkulturen mit eigener Werteordnung definiert, die eine den Rechtsstaat umgehende oder ihn unterlaufende Paralleljustiz verfolgen.
Kriminelle Aktivitäten von Clanangehörigen sind teilweise auch der Organisierten Kriminalität (OK) zuzuordnen. Durch die niedersächsische Polizei wurden in 2024 fünf OK-Verfahren geführt, in denen die agierende Tätergruppierung der Clankriminalität zuzurechnen ist. Im Vorjahr waren es neun Verfahren. In fünf weiteren Verfahren wurde die Tätergruppierung nicht unmittelbar der Clankriminalität zugeschrieben, hatte jedoch Verbindungen zu clankriminellen Strukturen. Drei der fünf Verfahren hatten in der Hauptaktivität Rauschgifthandel/ -schmuggel zum Inhalt. Dabei richteten sich die Ermittlungen gegen insgesamt 56 Personen.
Wesentliche Inhalte des Lagebildes 2024
Im Jahr 2024 wurden der Clankriminalität in Niedersachsen insgesamt 3.145 Straftaten zugeordnet, im Jahr 2023 waren es noch 3.610. Damit ist im Jahr 2024 zum zweiten Mal in Folge ein Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu konstatieren, konkret um -465 Fälle bzw. -12,88%. Verglichen mit der gesamten Polizeilichen Kriminalstatistik, die 529.264 Straftaten (2023: 553.202) umfasste, ergibt dies für die Clankriminalität einen prozentualen Anteil von 0,59%.
Kennzeichnend für das Phänomen der Clankriminalität machen Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit 1.018 Taten gut ein Drittel der Gesamtfälle aus. Bei genauerer Betrachtung wird dabei ersichtlich, dass insbesondere die Körperverletzungsdelikte mit 583 Fällen einen Großteil der Rohheitsdelikte ausmachen.
Es wurde eine Zunahme bei Diebstahl unter erschwerenden Umständen (§§ 243-244a StGB) von 242 auf 303 Fälle bzw. +25% festgestellt, was eine gegenläufige Entwicklung zu den allgemein zurückgegangenen Fallzahlen darstellt. Hierbei handelte es sich insbesondere um teils bandenmäßig begangene Ladendiebstähle.
Korrespondierend mit dem Rückgang der Fälle insgesamt, wurden 2.903 (2023: 3.048) tatverdächtige Personen erfasst. Etwa 80% Prozent der tatverdächtigen Personen waren männlich. Die Altersstruktur der Tatverdächtigen wies dabei ein breites Spektrum auf. Von der Gesamtzahl der Tatverdächtigen machten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre einen prozentualen Anteil von 16,81% (2023: 15,49%) aus.
Von den 2.903 Tatverdächtigen haben 1.632 bzw. etwa 56% die deutsche Staatsangehörigkeit. Hiervon wurden 1.310 auch in Deutschland geboren. Bei den nicht-deutschen Tatverdächtigen war ein Rückgang von 1.406 bzw. 46,13% auf 1.271 bzw. 43,78% zu verzeichnen. Unter den nicht-deutschen Staatsangehörigkeiten waren rumänisch, türkisch und syrisch am stärksten vertreten.
Die Tatorte verteilten sich – in unterschiedlicher Ausprägung – über das gesamte Flächenland Niedersachsen, sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Sogenannte Hotspots wie in anderen Bundesländern zeichnen sich in Niedersachsen weiterhin nicht ab.
Bei der Anzahl der Vermögensabschöpfungsvorgänge mit vorläufigen Sicherungen ist es in 2024 zu einer erheblichen Steigerung gekommen. Nach 33 Vorgängen in 2023 konnten im vergangenen Jahr in 47 Vorgängen vorläufige Sicherungen in Höhe von 4.938.113 Euro erzielt werden. Dies entspricht einem Anstieg von 2.959.804 Euro bzw. knapp 150%. Damit wird ein Allzeit-Hoch seit Erstellung des gemeinsamen Lagebildes erreicht.
Herausforderungen
Auch wenn die Clankriminalität statistisch weniger als ein Prozent Anteil an der polizeilich erfassten Kriminalität ausmacht, stellt sie die Strafverfolgungsbehörden vor große Herausforderungen und wirkt sich neben den objektiv von ihr ausgehenden Gefahren insbesondere auf die subjektive Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger negativ aus. Daher wird sie seit mehreren Jahren als ein landesweiter Schwerpunkt in der Aufgabenwahrnehmung von Polizei und Justiz verfolgt wird.
Innenministerin Daniela Behrens sagt: „Die Fallzahlen der Clankriminalität sind zum zweiten Mal in Folge rückläufig. Das ist ein Erfolg unseres abgestimmten und gut vernetzten Bekämpfungskonzepts. Wir werden uns jedoch nicht auf der Entwicklung der vergangenen Jahre ausruhen. Clankriminalität ist weiterhin stark von Gewaltdelikten geprägt. Kriminalität kann man nur erfolgreich bekämpfen, indem man sie erkennt, benennt und effektive Konzepte dagegen entwickelt. Und die Strategien von Niedersachsens Polizei und Justiz wirken: Die umfangreichen Maßnahmenpakete und facettenreichen regionalen Bündnisse zur Bekämpfung der Clankriminalität greifen und drängen die Clankriminalität in vielen Aktivitätsbereichen langsam zurück.“
Bekämpfungsansätze in Niedersachsen
Mit der „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen in Niedersachsen“ bestehen landesweit einheitliche und zukunftsfähige Standards, die auf einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Ansatz abzielen. Die behördenübergreifende Zusammenarbeit wurde weiter ausgebaut und trägt einerseits maßgeblich dazu bei, die Clankriminalität in all ihren Facetten sichtbar zu machen und andererseits eine etwaige Etablierung von kriminellen Strukturen und Geschäftsmodellen zu unterbinden.
Die internationale Vernetzung nimmt weiter zu, deshalb gewinnt auch die grenzübergreifende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit immer mehr an Bedeutung. Wir wollen und müssen weiterhin konsequent den eingeschlagenen Weg fortsetzen, um insbesondere die organisierte Clankriminalität zurückzudrängen.“
Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann: „Niedersachsen ist und bleibt Vorreiter bei der Bekämpfung von Clankriminalität. Das ist vor allem der hervorragenden Zusammenarbeit aller Beteiligten zu verdanken, die durch einen engen Austausch und eine effektive Vernetzung dafür sorgen, dass kriminelle Clans auf unseren Straßen keine Chance haben. Besonders erfreulich ist der enorme Zuwachs bei der Vermögensabschöpfung. Man muss die Täterinnen und Täter dort packen, wo es ihnen am meisten weh tut – und das ist im Regelfall der Geldbeutel.“
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