Die RETTmobil ist jedes Jahr ein Treffpunkt für Rettungskräfte aus allen Regionen Deutschlands, um sich über Neuheiten in der Branche zu informieren. Zwischen diversen Industrieständen, die ihre Produkte dem interessierten Fachpublikum vorstellten, fand sich auch ein Stand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Wir haben mit Norbert Wunder, Sprecher der Bundesfachkommission Rettungsdienst bei ver.di, gesprochen: über die aktuellen Projekte von ver.di in Bezug auf den Rettungsdienst und die Besonderheiten, die diese Berufsgruppe ausmachen.
Das Interview führte Jessica Fuchs.
Warum betreibt ver.di einen eigenen Stand auf der RETTMobil?
Das ist ganz einfach: Hier treffen sich die Kolleginnen und Kollegen aus der Branche und sie können ganz einfach Kontakt zu uns aufnehmen und wir auch zu ihnen, um über Themen wie Tarifverträge zu sprechen. Wir verhandeln Tarifverträge beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), bei der Caritas, den Maltesern und weiteren Organisationen.
Wir treffen hier also genau auf die Kolleg:innen, die den Rettungsdienst als Rettungssanitäter:in, Rettungsassistenten:in oder Notfallsanitäter:in ausmachen, aber auch Menschen, die bei den Berufsfeuerwehren arbeiten – also wirklich genau die Leute, für deren Tarifverträge und Arbeitsbedingungen wir uns einsetzen.
Was sind die wichtigen Punkte, für die sie sich mit Blick auf die Tarifverträge einsetzen?
Ein großes Thema ist und bleibt das der Arbeitszeit an dieser Stelle. Im Rettungsdienst wird regelhaft weit mehr als 40 Stunden pro Woche gearbeitet, das wollen wir in zukünftigen Tarifverträgen verändern, damit Menschen die Chance haben, langfristig gesund in diesem Beruf zu arbeiten. Dafür muss die Arbeitsbelastung ausgeglichen sein.
Das Thema betrifft aber nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch die Anzahl an gefahrenen Einsätzen. Es gibt oft einfach nicht genug Personal für die immer höhere Menge an Einsätzen, vor allem mit Blick auf KV-Notdienste. Das ist ein Thema, das eigentlich nicht zum rettungsdienstlichen Alltag gehören müsste und schlichtweg damit zu tun hat, dass die ambulante Versorgung nicht mehr richtig funktioniert – die Menschen bekommen zum Beispiel nur schwer Termine bei ihren Ärzten.
Man kann es niemandem verübeln, der ein medizinisches Problem hat, keinen Arzttermin bekommt und sich aus Angst um die eigene Gesundheit dann an den Rettungsdienst wendet. Das ist für den Rettungsdienst nicht gut, aber es lässt sich in der aktuellen Situation nicht verhindern.
Es ist unsere Aufgabe, solche Angelegenheiten politisch zu transportieren, nachdem wir sie erfahren haben. Natürlich kann ich in meiner Region die entsprechende Lage erfragen, aber auf einer Veranstaltung wie der RETTmobil kann ich solche Dinge von den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Regionen Deutschlands erfahren.
Auf welche Erfolge blickt ver.di in Bezug auf die Arbeit im Rettungsdienst zurück?
Neben typischen Tarifverhandlungen sind wir politisch auch im Hintergrund aktiv, beispielsweise beteiligen wir uns an der Gestaltung des Notfallsanitätergesetzes sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene.
Geld und Arbeitszeit sind große Punkte bei allen Arbeitnehmern über alle Branchen hinweg. Wir setzen uns immer für einen Mindestbetrag ein, da davon die unteren Einkommensgruppen profitieren – bei prozentualen Steigerungen ist es so, dass die oberen Einkommensgruppen überproportionale Vorteile haben. Unabhängig von unserem Einsatz für den Rettungsdienst ist eines unserer großen Ziele, dass die Menschen von ihrem Einkommen leben können.
Es macht keinen Sinn Steuererhöhungen durchzubringen, um dann hinterher soziale Leistungen verstärken zu müssen, damit bedürftige Menschen ihren Lebensunterhalt bestreiten können, obwohl sie schon Vollzeit, vielleicht sogar im Schichtdienst, arbeiten – das ist nicht wertschätzend.
Im TVÖD haben wir zuletzt ein Tarifprojekt abgeschlossen und damit eine Arbeitszeitreduzierung für Rettungskräfte im öffentlichen Dienst erreicht: von 48 auf 46 Stunden ab 1. Januar 2026 und eine weitere Reduzierung auf 44 Stunden im Jahr 2027. Außerdem erhält jede Rettungskraft 110 Euro mehr Bruttolohn und die Wechselschichtzulage wird von 105 auf 200 Euro erhöht, wobei letzteres beinahe einer Verdopplung entspricht.
So können wir sagen: Materiell hat ver.di erreicht, dass jede Rettungskraft brutto rund 230 Euro mehr erhält, wenn man alle Zuschläge mit in die Kalkulation aufnimmt. Das ist meiner Meinung nach ein Erfolg und damit auch ein gutes Argument für eine Mitgliedschaft bei uns, denn je mehr Leute wir sind, desto einflussreicher sind wir am Ende. Ein guter Teil der Mitgliedsbeiträge landet in unserer Streitkasse, damit wir handlungsfähig sind und Druck auf Arbeitgeber entsteht, um auf uns zuzugehen.
Ein angemessener Lohn und vertretbare Arbeitszeiten zählen ihrem Wort zufolge zu einer Wertschätzung gegenüber den Kräften im Rettungsdienst. Immer häufiger hört man, dass sich Einsatzkräfte immer öfter mit Respektlosigkeit und Gewalt im Arbeitsalltag konfrontiert sehen. Wie schätzen Sie diese Lage ein?
Fälle von Respektlosigkeit gegenüber den Einsatzkräften nehmen immer mehr zu. Vor allem die selbstverständliche Haltung, dass Rettungskräfte unbedingt und sofort helfen müssten, weil sie schließlich dafür ‚gerufen worden seien‘. Damit fängt es an – tätliche Angriffe gibt es meinem Empfinden nach weniger als diese Vorfälle von respektlosem Umgang mit Pöbeln und überhöhten Anforderungen. Das war früher in dieser Form nicht so. Es gibt zum Glück aber auch noch die anderen Einsätze: die, nach denen Dankesschreiben in der Wache ankommen.
Was treibt Einsatzkräfte trotz aller Schwierigkeiten an und was ist ihr langfristiges Ziel als ver.di in dieser Branche?
Ich würde fast sagen: Man ist so ein bisschen in einer eigenen Welt. Wenn man auf dem Rettungswagen sitzt und mit dem Team unterwegs ist, kann das je nach Einsatz sehr herausfordernd sein. Aber wenn man im Einsatz herausfindet, was mit einem Menschen passiert ist, kann man sich aktiv um ihn kümmern – jedenfalls in einer bestimmten Zeitspanne, bis der Teil der Rettungsarbeit abgeschlossen ist und der nächste Rettungseinsatz folgt.
Außerdem ist es reizvoll, dass Rettungsdienst nicht nur eine Fachdisziplin betrifft: Wenn man so will, beginnt die Tätigkeit mit der zeitweisen Begleitung einer Schwangerschaft, geht weiter über die Geburt und den ersten Kindernotfall, bei dem das Kind vielleicht vom Wickeltisch gefallen ist, bis hin zu Jugendlichen mit einem Sportunfall in der Schule.
Dann kommen später im Leben erste internistische Erkrankungen oder Allergieprobleme, später dann Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Wer im Rettungsdienst arbeitet, muss neben all diesen Sachen aber auch mit traumatologischen Situationen zum Beispiel im Kontext von Verkehrsunfällen umgehen können. Dazu kommen dann noch Altersmedizin sowie der Umgang mit psychischen Erkrankungen.
Man sieht: Es ist eine sehr vielseitige Tätigkeit, die damit auch entsprechend anspruchsvoll und herausfordernd wird. Das wird von Arbeitgebern, aber auch Krankenkassen häufig nicht genug anerkannt und wertgeschätzt, meiner Meinung nach.
Unser Ziel muss daher sein, die Berufe im Rettungsdienst so attraktiv und die Arbeitsbedingen so zu gestalten, dass Menschen langfristig im Rettungsdienst arbeiten können, interessante Aufstiegschancen, aber auch Möglichkeiten zur Reduktion und zum Ausstieg bekommen. Dafür arbeiten wir bei ver.di.
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