Es bleibt noch viel zu erforschen, lautet das Fazit des Fachkongresses „Forschung für den Bevölkerungsschutz“, den das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) alle zwei Jahre im World Conference Center Bonn organisiert. An drei Tagen kamen im ehemaligen Bundestag vergangene Woche alle relevanten Forscher sowie Vertreter der praktischen Seite zusammen, um über die aktuellsten Erkenntnisse zu referieren und diskutieren.
Prof. Dr. Harald Karutz von der Medical School Hamburg konstatierte beispielsweise ein klares Defizit in der Mitnahme der Bevölkerung. „Die zivile Verteidigung muss als DAS Bildungsthema betrachtet werden“, betont Karutz. „Es muss in Erziehungs- und Bildungsprozessen aufgegriffen werden.“
Nur wer wisse, wie man sich vorbereite, könne auch im Krisen- und Katastrophenfall angemessen reagieren. Dieses Wissen gelte es bereits in der Schule zu vermitteln, damit über die Kinder auch die Eltern erreicht werden. Doch als erhebliche Herausforderung für dieses offensichtlich sinnvolle Anliegen identifiziert Karutz in der Zuständigkeits- und Schnittstellenproblematik zwischen dem Bildungsministerium und dem Bundesministerium des Innern. Ersteres sehe keine Notwendigkeit, Kinder mit solch ernsten Themen zu belasten, für letzteres sei die Bedeutung der Bildung eher ein Randthema.
„In diesen Dingen sind uns andere Länder weit voraus“, beschreibt Karutz. Es gelte natürlich die Herausforderung zu meistern, „dass nicht Angst gemacht wird, sondern dass Wachstum und Reifung bei den Menschen gefördert wird“. Die Angst vor dieser Herausforderung dürfe aber nicht dazu führen, dass der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz in der Bildung ausgeklammert werde. Die zivile Verteidigung müsse dringendst in das Gesamtbildungswesen integriert werden. Denn, so Karutz, „Bildung ist aus meiner Sicht das Fundament ziviler Verteidigung“.
Der Katastrophenschutz in der Gesellschaft
„Das Thema der zivilen Verteidigung hat bisher keine Heimat in der Bildungslandschaft“, sieht auch Prof Dr Matthias Rohs von der RPTU Kaiserslautern-Landau. Dies sei das Ergebnis einer jahrzehntelangen friedensbezogenen Bildungspräferenz. „Es bedarf nun besonderer Anstrengungen, hier überhaupt einen Forschungsschwerpunkt zu etablieren.“ Doch ohne einen solchen Forschungsschwerpunkt, könne auch die Bildung der Bevölkerung nicht gezielt aufgebaut werden – so denn überhaupt gewünscht.
„Es gibt keine klaren Vorstellungen, was die Bevölkerung eigentlich wissen müsste und wie man es ihr beibringt“, erläutert Rohs. In diesen Kontext gehöre dann auch die Festlegung, „ob die Bevölkerung als mündiger oder als zu erziehender Bürger angesehen wird“. Der mündige Bürger brauche vor allem Informationen, der zu erziehende Bürger zudem Sanktionen. Erst auf dieser Grundlage ließen sich Faktoren wie digitale Lernplattformen oder Inhalte erstellen.
„Es ist das pädagogisch Sinnvolle zu präferieren“, betont Rohs. Hier gelte es auch die Frage zu beantworten, wie die Themen der Verteidigung in das Lehrkonzept zu integrieren sind, denn ein reines „digital first setzt die Lösung vor das Problem“.