Nachdem die politische und gesellschaftliche Diskussion über eine Vorbereitung des Gesundheitswesens auf Krisen und einen möglichen Verteidigungsfall, freundlich formuliert, viele Jahre eher ein Nischendasein gefristet hat, nimmt diese Diskussion in den letzten Monaten deutlich an Fahrt auf. Ein besonders eindrückliches Beispiel sind die kürzlich veröffentlichen Ergebnisse und Thesen des Enneker Forums Tegernsee 2025.
Das vollständige Dokument ist hier zu finden: https://zenodo.org/records/17435156/files/2025_10_24_EFT2025_Thesenpapier_fin.pdf?download=1
Das Ziel
Das selbst gegebene Ziel war es, die gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Zivile Verteidigung und Sicherheitsvorsorge im Gesundheitswesen zu adressieren, zentrale Handlungsfelder aufzuzeigen und konkrete Forderungen, bzw. Handlungsaufträge an Politik und Gesellschaft zu formulieren. Dies wird in den fünf Kategorien Bund, Länder, Kommunen, Gesundheitswesen und Zivilgesellschaft vorgenommen.
Bund
Auf der Bundesebene wird u.a. gesehen, dass die Nationale Sicherheitsstrategie erneuert werden muss, um zivile und militärische Aspekte zu integrieren und klare Verantwortlichkeiten zu definieren. Damit verbunden sind klar definierte, geregelte und auskömmliche Finanzierungspflichten. Insbesondere die zeitnahe Umsetzung der Notfallreform und eine schnellstmögliche Realisierung eines Gesundheitssicherstellungsgesetzes werden hier angemahnt. Bei allen Vorhaben sei der All-Gefahren-Ansatz erfolgskritisch. Risiken, wie etwa militärische Bedrohungen, aber auch Naturkatastrophen und Pandemien müssen in die Überlegungen einbezogen werden.
Länder
Auf der Ebene der Länder wird die Basis der „Sicherheits-Pyramide“ gesehen. Hier sind regionale Besonderheiten in die Sicherheitsstrategien einzubeziehen, Bundesvorgaben umzusetzen und weiterzuentwickeln und eigene Schwerpunkte zu setzen. Ebenfalls auf dieser Ebene sei die Zivile Verteidigung in die Krankenhausplanung zu integrieren. Dies sei sowohl in der Krankenhausbau- und Förderplanung zu vollziehen, als auch bei der Ertüchtigung bestehender Kliniken im Rahmen der Resilienz. Ebenfalls auf der Länderebene wird die Verantwortung für die Versorgung und den Transport von Verwundeten gesehen. Schon der Begriff macht deutlich, dass hier die Bundeswehr im Benehmen mit den Ländern in der Verantwortung ist. Ein abschließender Schwerpunkt wird auf regelmäßige Übungen und Vernetzung gelegt.
Kommunen
Die kommunale Ebene wird als zentraler Partner in den regionalen Netzwerken betrachtet. Aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Daseinsvorsorge und unterste Katastrophenschutzbehörde ist die Kommune immer auch erfolgskritischer Player. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch noch kommunale Kliniken, integrierte oder regionale Leitstellen, oder kommunale Rettungsdienste in der Verantwortung der Kommune betrieben werden. Damit werden die Kommunen zu einem zentralen Baustein in der Versorgungssicherheit und sind Bindeglied zur Bevölkerung. Den Kommunen sei für die übertragenen Aufgaben auch die adäquate Finanzierung zu sichern. Das Konnexitätsprinzip sei anzuwenden.
Gesundheitswesen
Hier wird die Resilienz des Gesundheitssystems als zentrales Zukunftsziel gesehen. Dazu wird die politische und organisatorische Verankerung dieses Ziels angemahnt. Daneben wird auf die erfolgskritische Rolle der integrierten und regionalen Leitstellen in der Zivilen Verteidigung hingewiesen. In Bezug auf die klinische Versorgung werden strategische Zielkliniken benannt und als ausgewiesene Kliniken der sogenannten Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) der Berufsgenossenschaften identifiziert. Letztlich sei im Rahmen der Zivilen Verteidigung auch das große Potenzial der Kassenärztlichen Vereinigungen, bzw. das Netz der ambulanten Versorgung zu nutzen.
Zivilgesellschaft
Hier werden Aufgaben in zwei unterschiedliche Richtungen formuliert. Zum einen geht es um Faktoren, die aus der Gesellschaft kommen müssen. Etwa, dass Resilienz Teil der gesellschaftlichen Normalität werden muss, oder dass Kenntnisse in Erster-Hilfe mit Selbstschutzinhalten in der Bevölkerung gestärkt und vertieft werden müssen. Zum anderen sind Faktoren benannt, die auf die Gesellschaft wirken. So sei die kommunale Selbstverwaltung verstärkt in Vorplanungen einzubinden. Die bevölkerungsbezogene Kommunikation zur Zivilen Verteidigung sei deutlich und anhaltend zu intensivieren und die Wertschätzung für die Mitarbeitenden in den Gesundheitseinrichtungen sei erfolgskritisch.
Bewertung
Die Ergebnisse des Enneker Forums Tegernsee 2025 sind eine wichtige Lagefeststellung und auch Aufgabenkritik im Themenfeld der Zivilen Verteidigung. Da der Bezug zur veränderten sicherheitspolitischen Lage jederzeit spürbar ist, liegt auf der Hand, dass hier auch die Aspekte besonders herausgearbeitet werden, die Antworten auf eben diese veränderte Lage geben. Exemplarisch werden die Herausforderungen für den Sanitätsdienst der Bundeswehr beschrieben: Bis zu 1.000 Verwundete täglich bereits in einem Bündnisfall; Logistische Probleme und Angriffe auf kritische Infrastrukturen, die die Versorgung gefährden; geringe militärische Versorgungskapazitäten von nur noch 1.800 Betten in den verbliebenen Bundeswehrkrankenhäusern.
In den aktuellen gesetzgeberischen Vorhaben, wie etwa der Krankenhausreform oder der Notfallreform müssen diese Aspekte, wie es auch schon in den im letzten Jahr novellierten Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung angelegt ist, nun endlich Berücksichtigung finden. Gesundheitspolitik ist heute eben auch Sicherheitspolitik. Die Ergebnisse des Enneker Forums Tegernsee 2025 weisen einen Pfad, wie so etwas aussehen könnte.
Nächster Schritt
In einem nächsten Schritt könnten nun die Schlussfolgerungen aus den bisher noch weniger betrachteten Aspekten DRK-Gesetz und Aufgaben des Öffentlichen Gesundheitsdienstes für das Gesundheitssicherstellungsgesetz gezogen werden, wo man ggf. zu einer gezielten Aufteilung der Kräfte im Gesundheitswesen kommen könnte und zu einer Strukturierung von zivil-militärischen Versorgungsclustern und einer einheitlichen Finanzierung. Dann ist der Schritt auch gar nicht mehr weit zur Ausbildung von nicht bereits jetzt im Gesundheitswesen gebundenen Personen, die in einer Gesundheitslage mit grundständigem Ausbildungsniveau aber hinzugezogen werden können. Und schließlich ist auch eine Idee zu entwickeln, wie größere Vorräte an Sanitätsmaterialien und eine verlässliche Versorgung mit Blut und Blutprodukten in Zivil-militärischer Zusammenarbeit geschaffen und bewirtschaftet werden können. Sozusagen ein „Versorgungsmodell Resilienz 2029“. Aber das wäre wahrscheinlich ein eigenes Forum.
Mit WhatsApp immer auf dem neuesten Stand bleiben!
Abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:











