Wie funktioniert Bevölkerungswarnung im Verteidigungsfall?

Gelingende Bevölkerungswarnung kann Leben retten: nicht nur im Fall von Naturkatastrophen, sondern insbesondere auch im Fall eines militärischen Angriffs. Der israelische Korrespondent unserer Schwesterpage CPM Defence Network gab im Rahmen der Berichterstattung aus Israel einen Einblick in die dortige Vorgehensweise. Der kurze Einblick in die israelischen Methoden der Bevölkerungswarnung im Verteidigungsfall bewegt zu der Frage, wie die Bundesrepublik Deutschland in diesem Kontext vorgehen würde. CPM Security Network hat beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und beim Operativen Führungskommando der Bundeswehr nachgefragt: Wie funktioniert die deutsche Bevölkerungswarnung im Verteidigungsfall?

Symbolbild Bevölkerungswarnung im Verteidigungsfall
Symbolbild Bevölkerungswarnung im Verteidigungsfall
Bild: Bundeswehr/Christoph Kassette, zusätzlich versehen mit dem internationalen Zivilschutzzeichen

Vor dem Hintergrund der diversen Krisen und der geopolitischen Lage der heutigen Zeit entwickelt sich Sicherheit zu einem immer größeren Thema. Doch wo Sicherheit herrschen soll, wird vor allem fundierte und schnell abrufbare Information benötigt. Wir versuchen den direkten Vergleich: Bevölkerungswarnung in Israel auf der einen Seite, Bevölkerungswarnung in der Bundesrepublik Deutschland auf der anderen.

Wie warnt Israel seine Bevölkerung vor Beschuss?

Im Kriegsfall warnt Israel mit Sirenen vor Luftangriffen, um die Bevölkerung zum Aufsuchen von Schutzräumen zu mobilisieren. Detaillierte Warnungen werden dort auch an die Mobiltelefone der Bevölkerung gesendet. Der israelische Korrespondent des CPM Defence Network erläutert in einem kürzlich erschienenen Artikel das Vorgehen:

Sobald israelische Sensoren die Vorbereitungen zu einem Abschuss ausländischer ballistischer Raketen erkennen, wird eine entsprechende Warnung per SMS an die Mobiltelefone der Bürgerinnen und Bürger gesendet und dazu aufgerufen, sich in die Nähe eines Schutzraumes zu begeben. Nach der Erkennung eines Abschusses folgt eine weitere Warn-SMS mit der Aufforderung, nun den Schutzraum aufzusuchen – bis zum Einschlag blieben dem Korrespondenten zufolge in der Regel etwa 90 Sekunden Zeit.

Seit den Angriffen zwischen Israel und dem Iran habe sich das Vorgehen allerdings noch einmal verändert: Nun wird etwa zehn Minuten vor einem vermuteten Angriff eine einzige Warnung ausgegeben, die zum Aufsuchen eines Schutzraumes auffordert. Das Verlassen des Schutzraumes ist erst nach Erhalt einer offiziellen Entwarnungsmeldung gestattet.

Israelische Quellen teilten dem CPM Defence Network darüber hinaus mit, dass die Fähigkeit, die Bevölkerung vor Vorbereitungen für den Abschuss ballistischer Raketen aus dem Iran zu warnen, auf verschiedenen Sensoren, darunter Spionagesatelliten, basiert. Genauere Angaben über die genauen Zuständigkeiten im Kontext der israelischen Bevölkerungswarnung liegen uns nicht vor. Der Zivil- und Katastrophenschutz wird in Israel im Allgemeinen vom Heimatfront-Kommando verwaltet.

Nachgefragt: Bevölkerungswarnung in Deutschland

Das Thema der Bevölkerungswarnung ist der Gesellschaft in Deutschland vor allem im September präsent, wenn der Bundesweite Warntag stattfindet. In vielen Bundesländern erfolgt neben der Teilnahme am Bundesweiten Warntag auch noch ein landesweiter Warntag, meist im März. Das zeigt deutlich an, dass Bevölkerungswarnung in Deutschland mittels eines föderalen Zusammenspiels von Bund und Ländern gelingt.

Wer welche Warnungen absetzt, hängt davon ab, ob sich Deutschland gerade in Friedenszeiten oder im Verteidigungsfall befindet.

Verteidigungsfall: Warnung und Schutz als Aufgabe des Bundes

Im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) wird festgelegt, dass der Bund im Rahmen der zivilen Verteidigung dazu verpflichtet ist, Kriegseinwirkungen und deren Folgen zu beseitigen oder zu mindern. Für all diese Tätigkeiten ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zuständig, das dem Auftrag des Bundesministeriums des Innern unterliegt. Zu dem Schutz der Zivilgesellschaft vor den Auswirkungen eines kriegerischen Angriffs zählt auch die entsprechende Bevölkerungswarnung.

Der Bund kann zur Warnung vor Kriegseinwirkungen die Warnkanäle der Länder nutzen und diese bei Bedarf durch eigene technische Systeme ergänzen. In der Regel erteilt der Bund einen Auftrag zur Veranlassung von Bevölkerungswarnungen an die Länder, die diesen dann unter Rückgriff auf das Modulare Warnsystem (MoWaS) und den Warnmittelmix ausführen.

In eilbedürftigen Fällen kann der Bund diesen Zwischenschritt aber auch auslassen und unmittelbar eigene Warnungen auslösen, was im Ernstfall zeitsparend erscheint.

Nationale Warnzentrale und Zivilschutz-Verbindungsstellen

Innerhalb des BBK beschäftigt sich die Referatsgruppe ‚Warndienst‘ nicht nur operativ, sondern auch konzeptionell mit der Bevölkerungswarnung. Hier werden beispielsweise die Nationale Warnzentrale sowie mehrere Zivilschutz-Verbindungsstellen betrieben, die eng mit dem Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) und den Lagezentren der einzelnen Länder zusammenarbeiten. Darüber hinaus erfolgt auch ein Austausch mit der Bundeswehr, den betroffenen Bundesressorts und der NATO, erläutert eine Sprecherin des BBK gegenüber dem CPM Security Network.

Der Vorteil der Zivilschutz-Verbindungsstellen liege in der „direkten Koordination und Beratung mit dem militärischen Personal, welches in militärischen Führungsgefechtsständen mit der militärischen Beantwortung einer derartigen Lage befasst ist“, schreibt eine Sprecherin des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr in ihrer Antwort auf unsere Anfrage.

Als Beispiel führt sie die Zivilschutz-Verbindungsstelle im ressortübergreifenden Nationalen Lage- und Führungszentrum Sicherheit im Luftraum an, mit dem militärische Lageinformationen aus dem Luftlagebild auch für Vertreterinnen und Vertreter des BBK zugänglich werden. Diese Informationen können für die Bevölkerungswarnung im Angriffsfall entscheidend sein.

Keine operative Einbindung der Bundeswehr in den Warnprozess

Bevölkerungswarnung bleibt auch im Fall eines militärischen Angriffs auf die Bundesrepublik Aufgabe des BBK und der entsprechenden Stellen der Länder. Die Bundeswehr wird nicht operativ in die Prozesse der Bevölkerungswarnung eingebunden. Verfassungsrechtlich ist im Kontext der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) allerdings eine enge Abstimmung zwischen BBK und Bundeswehr vorgesehen, die vor allem inhaltlicher Natur ist.

Es liegt beispielsweise eine Kooperationsvereinbarung vor, die eine Zusammenarbeit des BBK mit dem ABC Abwehrkommando der Bundeswehr vorsieht. Diese schriftliche Vereinbarung „regelt den direkten Erfahrungs- und Informationsaustausch, die Ausbildung, In-Übunghaltung und die Nutzung des Melde- und Warndienstes“, so die Sprecherin des Operativen Führungskommandos.

Es seien zudem weitere Zusammenarbeiten zwischen der Bundeswehr und weiteren Blaulichtorganisationen geplant, die durch die Abteilung ZMZ des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr weiterverfolgt werden.

Fazit: Bevölkerungswarnung in Israel vs. Bevölkerungswarnung in Deutschland

Ein Vergleich des israelischen Vorgehens zur Bevölkerungswarnung mit einem potenziellen deutschen Vorgehen hinkt: nicht nur aufgrund der allgemeinen Situation der Länder, die gerade kaum unterschiedlicher sein könnte, sondern vor allem auch bei einem Blick darauf, welche Institutionen für den Zivil- und Katastrophenschutz zuständig sind.

Das Heimatfront-Kommando, das für Zivilschutz in Israel und somit auch für die Bevölkerungswarnung zuständig ist, ist ein Militärbezirkskommando der israelischen Verteidigungsstreitkräfte. Hiermit besteht seit dem Israelischen Unabhängigkeitskrieg ein enger Zusammenhang zwischen Militär und Zivilschutz, der in der Vergangenheit von verschiedenen Initiativen aufzulösen versucht wurde, was in jedem dieser Fälle von den militärischen Verantwortlichen abgewendet wurde.

In Deutschland hingegen besteht operativ eine deutliche Trennung zwischen Militär, Zivilschutz und Katastrophenschutz. Das Bundesministerium der Verteidigung ist das politische und administrative Führungsorgan der Bundeswehr und somit für die militärische Verteidigung zuständig. Der Bund übernimmt den Zivilschutz, die Länder hingegen organisieren den Katastrophenschutz und führen diesen durch.

Im Friedensfall ist die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Hilfsorganisationen entscheidend für das Funktionieren des deutschen Bevölkerungsschutzes. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe unterhält für den Verteidigungsfall Beziehungen zur Bundeswehr, die für den nötigen Informationsfluss sorgen und den Kern Zivil-Militärischer Zusammenarbeit ausmachen.

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Verwendete Schlagwörter

BBKBevölkerungswarnungBundeswehrIsraelOperatives FührungskommandoWarnungZMZ
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