Terroristischer Anschlag: Maßnahmen zur Vorbereitung einer Klinik

Die aktuelle geopolitische Lage hat auch zur Steigerung der Gefahr für terroristische Anschläge in Deutschland geführt. Die Bundesregierung betont in ihrer nationalen Sicherheitsstrategie die Bedeutung des Katastrophenschutzes und der Terrorabwehr. Aufgrund der angespannten geopolitischen Lage wird auch mit asymmetrischen Bedrohungsszenarien gerechnet. Krankenhäuser gelten als kritische Infrastrukturen und sind nach § 5 LKatSG verpflichtet, ihre Einsatzfähigkeit bei Katastrophen sicherzustellen. Nach § 28 Abs. 2 LKHG Baden-Württemberg müssen sie durch Alarm- und Einsatzpläne eine Versorgung auch bei einem Massenanfall von Verletzten (MANV) gewährleisten – auch bei Terror- und Amoklagen, die unter dem Begriff „lebensbedrohliche Einsatzlagen“ (LebEL) zusammengefasst werden. 

Terroristischer Anschlag: Verletztenversorgung im RTW
Verletztenversorgung im RTW
Foto: BRK

Ein MANV bei LebEL unterscheidet sich vom „klassischen“ MANV durch andere Verletzungsmuster (z. B. Schuss-, Explosionsverletzungen), die häufig schwere Blutungen verursachen. Da viele Betroffene in der Frühphase nicht präklinisch versorgt werden, ist eine innerklinische Erstversorgung, vor allem durch Anästhesie und Unfallchirurgie notwendig. Die Koordination mit Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) stellt eine weitere Herausforderung dar. 

Trotz der Dringlichkeit fehlen derzeit evidenzbasierte Leitlinien zur Zusammenarbeit von prä- und innerklinischen Akteuren bei LebEL. Die Klinikübergreifende Sicherheitskonferenz Baden-Württemberg (klüsiko bw) hat daher eine Handlungsempfehlungen zur gemeinsamen Bewältigung solcher Lagen entwickelt. 

LebEL umfassen komplexe Bedrohungsszenarien – z. B. durch Schusswaffen, Sprengmittel oder extreme Gewalt – bei denen eine hohe Gefährdung für Betroffene und Einsatzkräfte besteht. Bereits konkrete Hinweise auf solches Täterverhalten gelten als LebEL. Die Zusammenarbeit von Polizei, Kliniken und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen (LebEL) erfordert klare Rahmenbedingungen. 

Planungen im Katastrophenschutz müssen Krankenhäuser systematisch einbeziehen. Dennoch kommt es regelmäßig zu Schnittstellenproblemen, u. a. aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten: Präklinische Strukturen liegen meist beim Innenministerium, die klinischen beim Gesundheits- oder Sozialministerium. 

Eine Übung in Baden-Württemberg (2019) zeigte massive Mängel: Kliniken wurden teils stark verzögert oder gar nicht informiert. Folge: nur 65 % der Patienten wurden aufgenommen, viele Schwerstverletzte hätten bei realem Szenario nicht überlebt. Präklinisch-klinische Übergänge sind kritische Punkte, an denen Zeit- und Informationsverlust lebensbedrohlich wirken können. 

Ein effektiver Informationsfluss zwischen Polizei, BOS und Kliniken ist entscheidend. Dazu zählt vor allem die Kommunikation über Anzahl, Art und Schwere der Verletzungen. In der polizeilichen Einsatzleitung im Führungs- und Lagezentrum der Polizei (FLZ) sollten Verbindungspersonen des Rettungsdienstes anwesend sein, die die Kliniken regelmäßig mit relevanten Updates zur Lage versorgen.  Kliniken benötigen frühzeitige, zuverlässige Informationen über Art und Ausmaß des Einsatzgeschehens. 

Im Vergleich zu „klassischen“ MANV-Szenarien (z. B. Verkehrsunfälle) weisen LebEL schwerwiegendere Verletzungsmuster auf – häufig durch Explosionen oder Schusswaffen verursacht. Kliniken müssen rasch in den „TASC-Modus“ (Tactical Abbreviated Surgical Care) umschalten und Prioritäten auf lebensrettende Maßnahmen setzen („life before limb“).  

Dies gilt nicht nur für das ärztliche Personal, sondern alle am Versorgungsprozess beteiligten Personen. 

Da am Anschlagsort häufig keine stabile Sicherheitslage herrscht, erfolgt keine reguläre Patientenversorgung vor Ort. Verletzte werden möglichst rasch in als sicher geltende Kliniken gebracht – häufig ohne vorherige Sichtung oder Versorgung. Damit wird die Klinik zur ersten effektiven Behandlungsstelle. 

Auch bei eingeschränkten Ressourcen ist eine Vorsichtung nach dem mSTaRT-Schema durch geschultes nicht-ärztliches Personal unerlässlich. Sobald möglich, ist eine ärztliche Sichtung vorzunehmen. Die Sichtungsstelle sollte möglichst vor oder direkt am Klinikzugang eingerichtet sein. 

Eine strukturierte Alarmierung in drei Phasen hat sich bewährt: 

  • Lageinformation (z. B. Katastrophenbeauftragte informieren), 
  • Voralarmierung (z. B. OP-Programme anpassen, Sichtung vorbereiten), 
  • Alarm (z. B. Einsatzleitung aktivieren, Personal verstärken),
    Soziale Medien können hier wertvolle Frühinformationen liefern. 

 Eine dynamische, elektronische Erfassung der Krankenhauskapazitäten ist notwendig. Ad-hoc-Abfragen sind ineffizient und fehleranfällig. Systeme wie beispielsweise IVENA ermöglichen eine schnellere und koordinierte Patientenverteilung – vorausgesetzt, die Kliniken pflegen ihre Daten regelmäßig. 

Ein Wellenplan, wie vom Universitätsklinikum Ulm erprobt, ermöglicht vorausschauende Zuweisung basierend auf fix zugesagten Aufnahmekapazitäten. Landesweite Krankenhauskataster könnten dieses Prinzip weiterentwickeln, indem sie auch die erweiterten Versorgungsmöglichkeiten (z. B. Neurochirurgie, Pädiatrie) gezielt erfassen und dynamisch aktualisieren. 

Eine enge, gegenseitige Sensibilisierung zwischen Kliniken, Polizei, Rettungsdienst und Katastrophenschutz ist essenziell für die Bewältigung lebensbedrohlicher Einsatzlagen (LebEL). 

Empfohlen wird die regelmäßige Einrichtung lokaler Sicherheitskonferenzen auf Landkreisebene, koordiniert durch die untere Katastrophenschutzbehörde. Vertreter von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Leitende Notärzte sowie aller relevanten Kliniken sollten an diesen lokalen Sicherheitskonferenzen beteiligt werden. Ziel ist eine vertrauensvolle, persönliche Zusammenarbeit und abgestimmte Einsatzplanung. 

LebEL überschreiten oft Landkreis- oder Landesgrenzen. Daher ist eine länderübergreifende Abstimmung im Rettungsdienst und Katastrophenschutz unerlässlich – insbesondere in Regionen mit enger räumlicher Nähe wie Ulm/Neu-Ulm. Die geltenden Rettungsdienstgesetze bieten dafür rechtliche Grundlagen, die in der Praxis besser genutzt werden sollten. 

Polizeipräsidien sollten allen Kliniken auch außerhalb von konkreten Einsatzlagen einen festen Ansprechpartner zur Besonderen Aufbauorganisation (BAO) LebEL benennen. Für eine einheitliche Einsatzführung sollten alle beteiligten Organisationen auf bewährte Stabsmodelle (z. B. nach PDV 100 / FwDV 100) zurückgreifen. Dies ermöglicht eine strukturierte, koordinierte Zusammenarbeit – auch bei komplexen und dynamischen Lagen. 

Fehlende oder verspätete Informationen gefährden Menschenleben. Daher braucht es vorab definierte Kommunikationswege, feste Ansprechpartner und klare Protokolle zur Übermittlung von Einsatzinformationen – sowohl für präklinische als auch innerklinische Akteure. 

In vielen Kliniken ist das Konzept der Stabsarbeit noch unbekannt. Eine verbindliche Verankerung im Krankenhausalarm- und Einsatzplan (KAEP) sowie regelmäßige Übungen sind notwendig, um reibungslose Abläufe im Ernstfall sicherzustellen. 

Patiententransporte sollten nach Möglichkeit nur in Kliniken erfolgen, die außerhalb des Gefahrenbereichs liegen. Angesichts potentieller „Second Hits“ (z. B. Folgeanschläge) müssen aufnehmende Kliniken als Zielorte betrachtet und gesichert werden. Je nach Lage kann die Durchsuchung auf Waffen und Sprengmittel aller eintreffenden Personen (Patienten, Begleitpersonen, Personal) durch die Polizei erforderlich sein. 

Bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen (LebEL) soll der etablierte Meldeweg (FLZ → integrierte Leitstelle (ILS) → Klinik) weiterhin verwendet werden, um Übermittlungsfehler zu vermeiden. Für Sonderlagen müssen alternative Kommunikationswege definiert, geübt und rund um die Uhr verfügbar sein. Das Alarmstichwort „LebEL“ ist landesweit einheitlich zu verwenden – sowohl in den ILS als auch in den Kliniken. 

Anschläge: Medic der Spezialeinheiten an der Verletztenablage
Medic der Spezialeinheiten an der Verletztenablage
Foto: BRK

Neben dem üblichen Informationsfluss (ILS ↔ Klinik) ist ein direkter Kommunikationskanal zur Polizei erforderlich. Idealerweise findet dieser vor Ort persönlich zwischen Polizeiführung, Leitendem Notarzt (LNA) und Klinikverantwortlichen statt. Rückfallebenen (z. B. Treffpunkt bei Netzausfall) sind im Vorfeld festzulegen. 

Für einen strukturierten Austausch sind zwei Ebenen erforderlich: 

  • Stabsebene: Polizei ↔ LNA mit Stabsqualifikation 
  • Führungsebene: Gemeinsame Einsatzleitung vor Ort 

Größere Kliniken (z. B. überregionale Traumazentren) sollten einen hauptamtlichen Katastrophenschutzbeauftragten benennen. In kleineren Häusern kann diese Funktion auch nebenamtlich wahrgenommen werden – jedoch mit klarer Aufgabenbeschreibung. Risikoanalysen, Alarmplanpflege und Übungsplanung erfordern personelle und zeitliche Ressourcen und können nebenamtlich allerdings nur bedingt umgesetzt werden. 

Viele Kliniken verfügen derzeit weder personell noch baulich über ausreichende Schutzmaßnahmen gegen gewaltbereite Täter.
Jede Klinik sollte ein standortspezifisches Sicherheitskonzept entwickeln, das bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen integriert. 

Die lokale Sicherheitskonferenz sollte Sicherheitslücken identifizieren und gemeinsam mit den zuständigen Stellen geeignete Maßnahmen planen.
Ein eigener Sicherheitsdienst mit flexiblen Einsatzkapazitäten ist essenziell, insbesondere für den Schutz kritischer Klinikbereiche wie Notaufnahme oder Sichtungsstelle. 

Die Polizei kann den Schutz der Klinik (z. B. Zugangskontrolle, Schutz der Rettungswege) unterstützen – je nach Lage und Verfügbarkeit. Die Zusammenarbeit mit dem klinikeigenen Sicherheitsdienst muss abgestimmt erfolgen. 

Die internationale Sicherheitslage zeigt, dass Kliniken potenzielle Zielobjekte sind. Dennoch existieren in vielen Häusern kaum Schutzkonzepte. Befragungen belegen: Nur rund ein Drittel der Kliniken berücksichtigen terroristische Szenarien in ihren Einsatzplänen – und noch weniger führen entsprechende Übungen durch. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Ein modular aufgebautes, abgestimmtes Aus- und Fortbildungskonzept für Polizei, Rettungsdienste und Kliniken wird empfohlen. Regelmäßige, praxisnahe Schulungen – idealerweise mit Referenten aus verschiedenen Organisationen – verbessern das Verständnis füreinander und fördern die Zusammenarbeit.

Insbesondere interdisziplinäre Übungen sind essenziell, um Abläufe zu testen und Schwachstellen zu identifizieren. Die Planung dieser Übungen sollte über die Sicherheitskonferenz erfolgen. 

Kompetenzbasierte Trainingsmodelle haben sich national und international bewährt. Sie fördern nicht nur Fachwissen, sondern auch Entscheidungs- und Handlungskompetenz im Einsatz. Derzeit fehlen jedoch verbindliche Standards für die Katastrophenausbildung im klinischen Bereich, vor allem an der Schnittstelle zwischen Präklinik und Klinik. Übungen mit realitätsnahen Szenarien sind notwendig, um Strukturen zu stärken und den Ernstfall zu trainieren. 

 

  • Erforderlich sind kompetenzbasierte Schnittstellenlösungen, um eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen Präklinik und Klinik bei der Versorgung von Patienten nach einer LebEL-Lage sicherzustellen. 
  • Für die Einsatzvorbereitung wird empfohlen, eine lokale Sicherheitskonferenz auf Landkreisebene bzw. bei der unteren Katastrophenschutzbehörde einzurichten. Teilnehmende sollten Vertreter*innen der unteren Katastrophenschutzbehörde, Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst, Leitender Notarzt sowie die Katastrophenschutzbeauftragten der betroffenen Kliniken sein. 
  • In der polizeilichen Einsatzleitung im Führungs- und Lagezentrum der Polizei (FLZ) sollten Verbindungspersonen in von Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz vertreten sein. Dies ermöglicht eine effektive und zeitnahe Einsatzkoordination. Von dort aus sollte ein verbindlicher Informationsfluss an die Kliniken durch benannte Ansprechpartner sichergestellt werden. 
  • Regelmäßige Übungen sind unverzichtbar, insbesondere interdisziplinäre und organisationsübergreifende Trainings. Die Planung solcher Übungen ist eine zentrale Aufgabe der lokalen Sicherheitskonferenz. 

Autoren: Priv.-Doz. Dr. med. Thorsten Hammer und Dr. med. Stefan Weiß

Erstmals erschienen in: Crisis Prevention 2/2025

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