Die Erkenntnis, dass sich Deutschland auf die Notwendigkeit einer Landesverteidigung im Rahmen der Bündnisverteidigung einzustellen hat, ist inzwischen in Mitte der Gesellschaft angekommen. Sicherheitsvorsorge als Auftrag des Staates sowie die materielle, personelle und kognitive Vorbereitung auf eine Kriegssituation zeigte sich in der Zeit des Kalten Kriegs in dem Slogan „Kämpfen können – um nicht kämpfen zu müssen“. Leider ist dieser Slogan durch den Krieg in der Ukraine mit voller Wucht auch nach Mitteleuropa zurückgekehrt.
Sicherheitsvorsorge bedeutet auch die Vorbereitung darauf, die kämpfenden Kameradinnen und Kameraden im Krieg zu schützen und medizinisch zu versorgen – dies beinhalten auch und vor allem die Versorgung, Behandlung und Rehabilitation von verwundeten Soldatinnen und Soldaten.
Mit der diesjährigen Lehr- und Informationsübung Sanitätsdienst wurde in eindrücklicher Weise gezeigt, wie dies im Krieg umgesetzt werden kann. Das komplexe Zusammenwirken der vielen militärischen und zivilen Akteure in der sogenannten Rettungskette wurde dazu anhand einer militärischen Lage vorgestellt und am Beispiel des Weges verwundeter und erkrankter Soldaten aus der Frontzone bis hin in die Versorgung und Rehabilitation im Heimatland aufgezeigt.
In der Rahmenlage, einer Verzögerungsoperation eigener Kräfte gegen einen angreifenden Feind, wurden mehrere Soldaten durch einen gegnerischen Drohneneinsatz beim Anlegen von Pioniersperren teils hochgradig verletzt. Die Bedeutung der Selbst- und Kameradenhilfe wurde gerade in diesem Abschnitt der ILÜ besonders deutlich. Blutstillende Maßnahmen sind der Schlüssel dafür um die Überlebenschancen Verwundeter in besonderem Maße zu erhöhen.
Den Ersthelfern A und B, dies sind keine Angehörigen der Sanitätstruppe, sondern Soldatinnen und Soldaten der Kampf- und Kampfuntersützungstruppen die in einer Basisausbildung von etwa einer Woche die notwendigen Kenntnisse hierzu erwerben, kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu. Sie müssen die „Erste Hilfe“ auch unter Gefechtsbedingungen leisten und die lebensrettenden Maßnahmen mit Schwerpunkt der Blutstillung vornehmen.
Der Erstversorgung bis zu Übernahme durch das Sanitätspersonal auf einem Verwundetensammelpunkt kommt damit eine besondere Bedeutung zu. Wichtig ist – und dies darf nicht vergessen werden – ist der regelmäßige Kompetenzerhalt sowie das Handlungstraining und das regelmäßige Üben im Gefechtsdienst.
Mit dem Rettungstrupp – in der Regel durch ein Schweres geschütztes Sanitätsfahrzeug GTK Boxer – geht es zu der weiteren Verwundetenversorgung in die Rettungsstation der Role 1. Hier kann eine schnelle Notfallmedizinsche Sichtung und Versorgung der Verwundeten erfolgen sowie die Stabilisierung traumatisierter Patienten. Eine Rettungsstation besteht aus einem Trägerfahrzeug (geschützt oder ungeschützt) mit einem geschützten Behandlungscontainer. Trotz der im modernen Gefecht notwendigen Mobilität sollte dabei wo immer möglich auch auf vorhandene ortsfeste Infrastruktur Rückgriff genommen werden.
Um möglichst früh eine notfallchirurgische Akutversorgung vornehmen zu können steht auf Brigadeebene das Rettungszentrum der Ebene 2 (Role 2 Forward – R2F) zur Verfügung. Hier kann eine eine Notfallchirurgische Akutversorgung in einem OP erfolgen. Der Einsatz erfolgt dabei im Verbund mit einer Rettungsstation und soll im Gefecht auch zu einer Entlastung (oder Verstärkung) der Fähigkeiten einer Role 2 B Behandlungseinrichtung beitragen.
Wie bereits bei der letzten ILÜ in 2024 gezeigt wurde das Rettungszentrum der Role 2 Basic „gläsern“ – das heißt ohne die zugehörigen Zelte gezeigt. Hier findet die Notfallchirurgische Versorgung mit zwei im Schichtbetrieb arbeitenden Operationsteams statt. Notaufnahme, Notfallchirurgische Eingriffe, die Betreuung von Intensivpatienten und die Pflege und Betreuung in einer Bettenstation sind die vorrangigen Fähigkeiten eines Rettungszentrums.
Hinzu kommen Labor, Sanitätsmateriallager und entsprechende mentale Betreuung der Patientinnen und Patienten. Hier arbeitende Militärpfarrer*innen und Militärrabiner sind darauf trainiert auch schwierige mentale Situationen auszuhalten und Aufgaben im sogenannten Critical Incident Stress Management (CISM) durchzuführen. Wir verstehen und sind da – eine Aufgabe sowohl für Patient als auch dort eingesetztem Personal, die Einsatznachbesprechung und die Unterstützung als Fachberater sind die Aufgaben, die hier anfallen.
Das auf Divisionsebene angesiedelte Einsatzlazerett der Role 3 verfügt über die erforderliche personelle und materielle Ausstattung zur multidisziplinären Diagnostik und Therapie. Die aufgabenbezogenen Container der MSE (von der Allgemein- bis zur Zahnmedizin), OP-Gruppen, Radiologie mit CT, Intensivstation, Labordiagnostik und eine Bettenstation mit bis zu 144 Betten kennzeichnen ein Einsatzlazarett. Hier ist auch der Verladepunkt für den strategischen Verwundetentransport zurück in das Heimatland.
Das Einsatzlazarett ist gekennzeichnet durch einen besonders hohen Aufwand für Transport und Aufbau. In der Vollstufe des Aufbaus besteht das Einsatzlazarett aus ca. 150 Containern und 50 Einsatzzelten des Typs II. Ein Aufwand, der eine Aufbauzeit für das Herstellen der Einsatzbereitschaft von bis zu zwei Wochen bedeutet.
Mit dem strategischen Verwundetentransport erreichen die Patientinnen und Patienten die Basis Einsatz/Inland. In diesem Jahr wurde erstmalig durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) aufgezeigt, mit welchen Maßnahmen gemeinsam Militär mit Zivilen Organisationen, gemeinsam mit nationalen und internationalen militärischen Stellen und gemeinsam Bund, Länder und Gemeinden eine Folgeversorgung und Rehabilitation erfolgen kann.
Das BBK ist seit 2004 die zentrale Stelle des Bundes für den Bevölkerungsschutz in Deutschland. Hier werden alle Bereiche der Zivilen Sicherheitsvorsorge fachübergreifend gemanagt und damit zu einem wirksamen Schutzsystem zusammengefasst. In der Aufgabenwahrnehmung unterstützt es dabei mit hoher Kompetenz die übrigen Bundeshörden sowie die in Verantwortung stehenden Stellen der Länder.
Im während der ILÜ dargestellten „Port of Debarkation“, dem Ankunftsort und Entladepunkt in Deutschland werden die Patienten aufgenommen und betreut, notwendige Stabilisierungsmaßnahmen und notfallmedizinische Versorgung durchgeführt, sowie die Patienten zur weiteren Behandlung in die die festgelegten Einrichtungen transportiert. Dazu stehen national inzwischen bis zu 1000 Transportfahrzeuge zur Verfügung. Hier kommt es darauf an, dass eine schnittstellenarme und vertrauensvolle Zivil-Militärische Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten (z.B. BBK, Deutsches Rotes Kreuz, ASB, Johanniter, Malteser, THW und Militär) stattfindet.
Was waren die besonderen Highlights der diesjährigen ILÜ?
Als im Jahr 2021 der Sanitätsdienst mit der Bitte/den Bedarf nach einer „fliegenden Trage“ damals noch an die Fa. BINZ herantrat, stand nicht zu erwarten, dass dieser Bedarf in kurzer Zeit fachlich/technisch gedeckt werden könnte. Im Zuge der ILÜ 2025 konnte erstmalig mit dem System GRILLE der Fa. AVILUS ein UAV zum Transport von Verwundeten zwischen der Verwundetensammelstelle und den nachfolgenden Behandlungseinrichtungen im Einsatz gezeigt werden.
In enger Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie sowie dem militärischen Bedarfsträger wurde mit der GRILLE ein System entwickelt, das es ermöglicht Verwundetentransporte schnell und über die einzelnen Stufen der Rettungskette hinweg durchzuführen und damit kritische Patienten noch schneller den Stellen zuzuführen, die in der Lage sind lebensrettende und -erhaltende Maßnahmen durchzuführen. Noch muss die GRILLE hinsichtlich ihrer Fähigkeiten vertieft untersucht werden, mit Blick in die Zukunft verspricht sie allerdings einen besonderen Fähigkeitsgewinn für den Sanitätsdienst.
In nahezu allen Bereichen der Rettungskette sind zwischenzeitlich Beschaffungsvorhaben für eine moderne Ausrüstung angeschoben worden. So wurde zuletzt am 04. Juli 2025 das erste Mittlere geschützte Sanitätsfahrzeug an die Truppe übergeben. Bereits vor einigen Monaten erfolgte der Zulauf der ersten Fahrzeuge des Ungeschützten Sanitätsfahrzeugs als Ersatz der in die Jahre gekommenen LKW 2 to San Unimog.
Bereits Mitte 2024 konnten erste Einheiten des Geschützten Verwundeten Transport Containers an die Truppe übergeben werden. Und „Last, but not Least“ wird für Ende des 3. Quartals die Parlamentsvorlage (25 Mio Vorlage) für die Geschützte Hochmobile Behandlungseinrichtung der Role 2 (ghmRole 2) erwartet.
Nun kommt es darauf an, dass möglichst zügig der Zulauf der Serien erfolgt um eine Vollaustattung mit Material und damit eine noch weiter verbesserte „Kriegstüchtigkeit“ erreicht wird.
Im Fazit lässt sich feststellen, der Sanitätsdienst hat erneut seine Leistungsfähigkeit und Kompetenz mit der Informations- und Lehrübung 2025 unter Beweis stellen können.
Autor: Rainer Krug
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