Satellitenbasierte Rückfallkommunikation als Bestandteil resilienter Führungsfähigkeit

Am 6. Mai 2025 fiel der BOS-Digitalfunk bundesweit für mehrere Stunden aus. Auch wenn Ursache und Folgen dieses Vorfalls noch länger ausgewertet werden müssen, hat die Situation vielen Verantwortlichen erneut vor Augen geführt, wie abhängig unsere Führungsstrukturen von funktionierender Kommunikation sind. Die Frage, wie sich Führungsfähigkeit auch bei Ausfall regulärer Kommunikationsnetze erhalten lässt, beschäftigt Fachkreise jedoch nicht erst seit diesem Ereignis.

Rückfallkommunikation: ICOM IC-SAT100H K-Funk: Gruppenfunkgerät mit TETRA-ähnlicher Bedienung, nutzt LEO-Satelliten statt Bodeninfrastruktur
ICOM IC-SAT100H K-Funk: Gruppenfunkgerät mit TETRA-ähnlicher Bedienung, nutzt LEO-Satelliten statt Bodeninfrastruktur
Bild: abel&käufl

Bereits zuvor hatte sich eine interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe im Referat 7 (Informations- und Kommunikationstechnik) der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb e.V.) intensiv mit dem Thema befasst. 

Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist das im Mai 2025 erschienene Merkblatt 07/04 „Satellitenbasierte Rückfallkommunikation für BOS und Verwaltung“. Es liefert eine systematisch aufbereitete Arbeitsgrundlage zur strukturierten Auseinandersetzung mit der Thematik und möchte Verantwortliche dazu anregen, eigene Szenarien, Anforderungen und Umsetzungsmöglichkeiten zu reflektieren. 

Warum Rückfallkommunikation? 

Nicht jede Krise lässt sich mit bestehenden Infrastrukturen bewältigen. Naturkatastrophen, Stromausfälle, gezielte Angriffe oder technische Defekte können dazu führen, dass Primärkommunikationsmittel wie Mobilfunknetze, BOS-Digitalfunknetz oder öffentliche Internet-Infrastruktur zeitweise nicht verfügbar sind. In solchen Lagen ist nicht vollständige Redundanz gefragt, sondern die Fähigkeit, mit reduzierten Mitteln weiter kommunizieren zu können. Rückfallkommunikation sichert die Grundfunktionalität – bewusst einfach gehalten, aber funktional ausreichend. 

Das Merkblatt nimmt diese Perspektive auf und liefert einen Orientierungsrahmen, um solche Rückfallebenen sinnvoll und anwendungsspezifisch zu gestalten. Es grenzt sich dabei klar von Notfallkommunikation und Redundanzlösungen ab und rückt den Aspekt der Führungsfähigkeit in Ausnahmesituationen in den Mittelpunkt. 

Kommunikationsformen erkennen und erhalten 

Ein Kerngedanke des Merkblatts lautet: Die eingesetzte Rückfallebene soll die im Regelbetrieb etablierte Kommunikationsform möglichst beibehalten. Eine Einzelkommunikation – wie etwa die Telefonie im Verwaltungsstab – wird im Rückfall idealerweise durch ein satellitengestütztes Telefon ersetzt. Gruppenkommunikation, wie sie im operativen Stab, bzw. Einsatzleitdienst, üblich ist, erfordert wiederum ein sprechfunkbasiertes System, das Mehrpunktkommunikation unterstützt (Sprechfunk über Satellit). 

Diese scheinbar einfache Forderung trägt erheblich dazu bei, Effizienzverluste zu vermeiden und vorhandene Kommunikationspläne – etwa Funkskizzen – auch in der Rückfallebene anwenden zu können. Wer bestehende Strukturen nicht neu erfinden muss, kann sich auf die Lage konzentrieren. 

Vielfalt der Systeme – Kriterien zur Einordnung 

Ein besonderes Merkmal des Merkblatts ist die strukturierte Gegenüberstellung und Bewertung relevanter Systemmerkmale. Neben technischen Aspekten wie Bandbreite, Latenz, Mobilitätsgrad oder Resilienz gegenüber Ausfallursachen werden auch organisatorische und betriebliche Fragestellungen behandelt: 

  • Wie viel Schulungsaufwand erfordert ein System? 
  • Ist eine Nutzung auch ohne Spezialpersonal möglich? 
  • Welche Vertragsmodelle existieren – und sind diese „BOS-kompatibel“? 
  • Kann der Dienst auch ohne Internetverbindung aktiviert werden (Schwarzstart)? 

Diese Fragen sind bewusst praxisnah gehalten und dienen dazu, Planerinnen und Planern eine nachvollziehbare Entscheidungsbasis zu geben – unabhängig davon, ob man eine stationäre Rückfalllösung im Verwaltungsgebäude oder eine mobile Variante im Einsatzleitfahrzeug realisieren möchte. 

Breitband ist nicht immer besser 

Nicht jede Rückfallkommunikation benötigt eine schnelle Datenverbindung. Im Gegenteil: Das Merkblatt fordert explizit dazu auf, Kommunikationsbedarfe zu hinterfragen und auf das betriebsnotwendige Maß zu reduzieren. Textnachrichten, Sprache, gelegentliche E-Mails – oft genügt dies, um Führungshandeln aufrechtzuerhalten. 

Erst wenn konkrete Anforderungen bestehen, wie etwa VPN-Zugänge oder Remote-Zugriff auf Leitstellensoftware, lohnt der Blick auf breitbandige Satellitensysteme. Hier werden auch moderne Dienste wie Starlink oder OneWeb eingeordnet – mit Chancen und Limitationen. 

Einübung schafft Verfügbarkeit 

Ein System ist nur so gut wie seine Nutzenden. Rückfallkommunikation muss im doppelten Sinne eingeübt werden: technisch wie organisatorisch. Deshalb betont das Merkblatt die Bedeutung von Schulung, Festlegung von Lernzielen und regelmäßigen Belastungstests. Nur wenn im Ernstfall klar ist, wer wann wie welche Geräte bedient, entsteht Verlässlichkeit. 

Fazit 

Das vfdb-Merkblatt 07/04 ist kein Produktkatalog und kein Technikvergleich. Es ist eine Einladung, sich bewusst und strukturiert mit dem Thema Rückfallkommunikation auseinanderzusetzen. 

Die dort enthaltenen Empfehlungen und Kriterien bieten Anstoß zur eigenen Bewertung – unabhängig von Größe, Zuständigkeit oder vorhandener Ausstattung. Wer Verantwortung für Führungsfähigkeit in besonderen Lagen trägt, findet im Merkblatt einen wertvollen Impulsgeber. 

Autor: Frank Tonat

Erstmals erschienen in: Crisis Prevention 2/2025

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