75 Jahre THW: „Wir sind älter als die Bundeswehr und älter als die NATO“

In diesem Jahr feiert das Technische Hilfswerk (THW) sein 75-jähriges Bestehen. Den Auftakt zu den bundesweiten Jubiläumsaktivitäten bildete ein feierlicher Festakt am 17. Mai im Maritim Hotel Bonn. Dieser Tag bot einen besonderen Anlass, um den ehrenamtlichen Kräften zu danken und die Besonderheit des Technischen Hilfswerks zu verdeutlichen, denn die Kombination einer Behörde mit Ehrenamt, wie man sie im THW findet, sei weltweit einmalig, sagt THW-Präsidentin Sabine Lackner. Weitere Themen bespricht sie im Interview mit dem CPM Security Network.

THW-Präsidentin Sabine Lackner und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt beim Festakt zum 75. Jahrestag
THW-Präsidentin Sabine Lackner und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt beim Festakt zum 75. Jahrestag
Foto: THW

Als Geburtstag des THW gilt der 22. August. An diesem Tag im Jahr 1950 vereinbarte der damalige Bundesinnenminister Gustav Heinemann mit Otto Lummitzsch, dass ein ziviler Ordnungsdienst aufgestellt werden soll. Lummitzsch wurde zum Gründer und ersten Direktor des THW. Im Jahr 1953 erteilte das Bundesinnenministerium dann einen Errichtungserlass und das THW wurde eine Bundesanstalt. Im selben Jahr ging das THW bereits in seinen ersten Auslandseinsatz: Eine Sturmflut in den Niederlanden.

Ursprünglich wurde das THW mit dem Auftrag gegründet, die Bevölkerung vor Kriegsauswirkungen zu schützen und die Folgen des Zweiten Weltkriegs zu beseitigen. Durch sich verändernde weltpolitische Lagen musste es sich immer wieder neu ausrichten. Mit Ende des Kalten Kriegs rückte die Unterstützung des Katastrophenschutzes der Bundesländer in den Fokus. Nachdem Russland im Jahr 2014 die Krim annektierte, baute das THW unter anderem im Zivilschutz seine Kompetenzen in der Notversorgung und Notinstandsetzung aus. Heute sehen sich die Einsatzkräfte zudem mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert: Starkregen und Sturmereignisse bedürfen immer häufiger den Einsatz der Fachgruppen des Technischen Hilfswerks.

Festakt am 17. Mai

Der Festakt vom 17. Mai 2025, der bewusst auf den internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie gelegt wurde, um die Vielfalt der Gesellschaft und der THW-Familie zu ehren, ist Teil eines vielfältigen Jubiläumsprogramms: Bereits im April erschien eine 10-Euro-Sammelmünze, im August folgt eine Sonderbriefmarke. Darüber hinaus sind zahlreiche dezentrale Veranstaltungen auf Orts- und Landesverbandsebene geplant – darunter Tage der offenen Tür und Großübungen.

Ein Höhepunkt der Veranstaltung in Bonn war die Festrede von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, der das langjährige ehrenamtliche Engagement im THW würdigte: „Das THW ist seit 75 Jahren ein verlässlicher Partner an der Seite der Menschen in diesem Land. Es ist zur Stelle, um bei Katastrophen, wie etwa nach Starkregen und Hochwasser, mit seiner technischen Expertise zu helfen. Das ist nur möglich durch das Engagement der 88.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die damit einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten. Ich empfinde als Bundesinnenminister große Freude und einen tiefen Dank dafür, dass wir in Deutschland so viele Menschen haben, die sich freiwillig für das Wohl aller engagieren.“

Neben aller Freude, die der Festtag mit sich brachte, nutzte THW-Präsidentin Sabine Lackner die Veranstaltung aber auch für mahnende Worte:

„Dieses System funktioniert nur, wenn auch von Seiten der Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen sind. Das sind nicht nur gesetzliche Regelungen, sondern vor allem auch Haushaltsmittel, um die Themen zu realisieren, die wir brauchen, um das THW auskömmlich zu finanzieren.“

Der aktuelle Haushalt nach dem alten Regierungsentwurf sieht für das Technische Hilfswerk rund 440 Millionen Euro vor. Umgerechnet auf 84,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland bedeutet das rund 5 Euro pro Person. Das sei „ein Schnapper, der nicht ausreicht“, sagt Lackner.

THW – Mehr als ein reines Ehrenamt

In ihrer Rede betonte Lackner besonders die gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamts: „Dieser Festakt ist ein gelungener Auftakt, um 75 Jahre THW zu feiern – 75 Jahre voller Einsatzbereitschaft, Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft.“ André Stark, stellvertretender Bundessprecher des THW und Landessprecher für Bayern, verdeutlicht in der anschließenden Pressekonferenz den persönlichen Wert des Technischen Hilfswerk:

„Das THW ist für mich kein Hobby – das THW ist eine Lebenseinstellung. Es gehört in die DNA unserer Einsatzkräfte.“

Es sei ihm zufolge kein Einzelfall, wenn eine gesamte Familie im THW aktiv sei, sondern sogar die Regel. Die Arbeit im Technischen Hilfswerk präge ganze Familienleben und -bilder.

Wolfgang Lindmüller, ehrenamtlicher THW-Bundessprecher, zeigt auf, dass die Bundesanstalt ohne dieses Engagement in dieser Form nicht bestehen könnte:

„Die Helfer sind stolz auf dieses THW. Sie lieben das THW, sie opfern dafür Zeit – bis zu 1000 Stunden pro Jahr. So halten diese Menschen den Zivilschutz aufrecht. Das ist etwas, das man gar nicht hoch genug anrechnen kann. Wenn wir ganz ehrlich sind, und da beziehe ich die anderen Hilfsorganisationen mit ein: Die Bundesrepublik wäre nicht in der Lage diesen Hilfekomplex aufzustellen und zu bezahlen, wenn nicht das Ehrenamt das machen würde.“

ZMZ rückt ins Blickfeld

Mit dem Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine haben zuletzt die Zivilschutzfähigkeiten des THW wieder an Bedeutung gewonnen. Der Überfall auf die Ukraine war aber auch der Start für den größten Logistikeinsatz in der Geschichte des THW. Im Auftrag der Bundesregierung beschaffte das THW überwiegend mit Mitteln des Auswärtigen Amts bisher Hilfsgüter im Wert von insgesamt mehr als 138 Millionen Euro, darunter Fahrzeuge, Baumaschinen und Stromerzeuger.

THW-Präsidentin Lackner äußert dazu: „Wir sehen, dass das Thema des Zivilschutzes leider seit dem 24. Februar 2022 wieder eine ganz neue Brisanz mit sich gebracht hat. Das Technische Hilfswerk als Bundesanstalt kommt aus dem Zivilschutz, das heißt: Zivil schützen mit Menschen, aber auch den Mitmenschen schützen, und zwar ohne Waffen“.

Zivilschutz dürfe aber nicht an den Kräften des THW oder anderer Bevölkerungsschutzorganisationen allein hängen bleiben: Alle Menschen seien aufgefordert sich selbst zu schützen, sagt Lackner mit Verweis auf die Vorgaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), denn im Ernstfall müssten sich die Einsatzkräfte zunächst auf den Schutz von Objekten der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) konzentrieren. Die Gesellschaft müsse insgesamt dringend resilienter werden.

Daneben stellt sich die Frage, wie viele der Ehrenamtlichen des THW in mehreren Organisationen aktiv oder gar als Reservisten gelistet seien. Dazu gebe es derzeit keine Aufzeichnungen. Die Führung des THW zeigt sich dennoch gewiss, Herausforderungen in einem potenziellen Krisenfall stemmen zu können, da sich die Zahl der Ehrenamtlichen im THW derzeit auf einem Rekordhoch befinde und hinsichtlich des Operationsplans Deutschland ein enger Austausch mit der Bundeswehr bestünde: „Wir sind mit der Bundeswehr immerzu in einem ganz engen Austausch. Es gibt eine vom Bundesinnenministerium gegründete bund-/länderoffene Arbeitsgruppe, bei der auch die Bundeswehr mit den Ländern und der Bundesorganisation an einem Tisch sitzt und wo wir uns diesem Thema annähern“, verdeutlicht Lackner.

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