Die Notfallakademie – Lernplattform für den Ausnahmefall

Fabian Schmidt ist Arzt, Rettungsmediziner und Gründer der „Notfallakademie“. Seit seinem Eintritt in die Bundeswehr im Jahr 2015 sammelte er medizinische Erfahrung in Klinik, Rettungsdienst und Katastrophenschutz – unter anderem als ärztlicher Leiter im Fluteinsatz im Ahrtal. Aktuell arbeitet er als Assistenzarzt am Bundeswehrkrankenhaus Berlin. Mit der Notfallakademie erschafft Fabian Schmidt eine digitale Plattform zur Vermittlung von Notfallkompetenz. Sein Ziel: Eine Gesellschaft, in der Menschen nicht nur auf Hilfe warten, sondern selbst wissen, was zu tun ist.

Die Fragen zu diesem Interview stellte Jessica Fuchs.

Die Notfallakademie ist seit dem 5. Mai 2025 online.
Die Notfallakademie ist seit dem 5. Mai 2025 online.
Bild: Fabian Schmidt
Was ist die Notfallakademie?

Die Notfallakademie ist eine digitale Lernplattform, die Menschen fit macht für medizinische und gesellschaftliche Ausnahmesituationen – vom klassischen Erste-Hilfe-Wissen über Krisenvorsorge bis hin zu Selbstschutz im Alltag.

Im Zentrum stehen interaktive Online-Trainings:

  • Wie versorge ich einen verletzten Menschen zu Hause?
  • Was gehört in eine sinnvolle Hausapotheke?
  • Was tue ich bei Stromausfall oder plötzlicher Atemnot?

Unsere Angebote richten sich an alle, die im Notfall nicht hilflos sein wollen: Familien, pflegende Angehörige, Heilpraktiker:innen – oder einfach Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen.

Langfristig soll die Akademie wachsen – mit Modulen für Einsatzkräfte, kommunale Entscheider:innen und Organisationen im Bevölkerungsschutz. Unser Ziel: eine resiliente Gesellschaft, in der Wissen wirklich wirkt.

Wie ist die Idee zur Gründung der Notfallakademie entstanden?

Die Idee ist über Jahre gewachsen – aus vielen kleinen Erlebnissen im Klinikalltag. Ich habe als Arzt immer wieder erlebt, wie überfordert Menschen in Ausnahmesituationen sind – obwohl einfache Maßnahmen oft schon helfen würden.

Gleichzeitig habe ich gemerkt: Das Bedürfnis, vorbereitet zu sein, ist da. Menschen wollen wissen, was im Notfall zu tun ist – bei medizinischen Zwischenfällen, Naturkatastrophen, Blackouts oder Versorgungslücken. Doch klassische Formate erreichen viele nicht – aus Zeitgründen, sprachlichen Barrieren oder weil sie schlicht zu kompliziert sind.

Deshalb wollte ich etwas schaffen, das einfach zugänglich ist. Digital, lebensnah, verständlich. Nicht als Konkurrenz zu bestehenden Angeboten – sondern als sinnvolle Ergänzung. 

Zu Ihrer Person: Was motiviert Sie?

Ich bin Arzt mit Schwerpunkt Anästhesie und bringe viel Erfahrung aus der Rettungsmedizin mit – unter anderem als Rettungsmediziner bei der Bundeswehr. Auch wenn ich (noch) kein Facharzt für Notfallmedizin bin, habe ich über die Jahre in Klinik, Katastrophenschutz und präklinischer Versorgung gelernt, was zählt, wenn Sekunden entscheiden.

Besonders geprägt hat mich mein Einsatz während der Flutkatastrophe im Ahrtal. Dort habe ich hautnah erlebt, wie entscheidend es ist, dass Menschen nicht nur auf Hilfe warten – sondern selbst wissen, was zu tun ist. Organisatorisch, medizinisch, mental.

Ich glaube fest daran: Wer vorbereitet ist, fühlt sich nicht mehr hilflos.

Dieses Gefühl möchte ich möglichst vielen Menschen ermöglichen.

Fabian Schmidt, geboren 1996 in Ostfriesland, ist Arzt und Rettungsmediziner mit Schwerpunkt Anästhesie und präklinischer Notfallversorgung.
Fabian Schmidt, geboren 1996 in Ostfriesland, ist Arzt und Rettungsmediziner mit Schwerpunkt Anästhesie und präklinischer Notfallversorgung.
Wie schätzen Sie den Status quo in Deutschland beim Thema Notfallwissen und Zivilschutz ein?

Wir haben in Deutschland eine sehr gute professionelle Notfallversorgung – das ist ein großes Privileg. Aber genau das führt auch zu einem paradoxen Effekt: Immer mehr Menschen verlassen sich ausschließlich auf den Rettungsdienst – und verlernen, sich in kritischen Situationen selbst zu helfen.

Der Gedanke scheint oft zu sein: „Dafür gibt’s doch Profis.“
Aber bis diese eintreffen, vergehen wertvolle Minuten – und genau dann braucht es Menschen, die wissen, was zu tun ist: beim Kind, das sich verschluckt hat, beim Nachbarn mit Herzrasen, beim Stromausfall.

Gleichzeitig erleben wir eine wachsende Unsicherheit in der Bevölkerung: durch globale Krisen, Extremwetter oder Versorgungslücken. Doch es fehlt an konkreten, alltagstauglichen Bildungsangeboten.

Was wir brauchen, ist eine neue Kultur der Eigenverantwortung. Menschen, die vorbereitet sind – nicht weil sie müssen, sondern weil sie wollen.

Warum fällt es so vielen Menschen schwer, im Notfall richtig zu helfen?

Ich glaube, es liegt an einer Mischung aus Unsicherheit, Überforderung und fehlender Wiederholung. Erste-Hilfe-Kurse liegen oft Jahre zurück – und was man nicht regelmäßig auffrischt, ist im Ernstfall wie weggeblasen.

Viele Angebote sind zu theoretisch, zu abstrakt oder zu unnahbar. Wer sich nie in einer Notfallsituation gesehen hat, weiß schlicht nicht, wie man sich verhalten würde. Und das ist gefährlich – denn in Stressmomenten braucht es Automatismen. Deshalb setzen wir mit der Notfallakademie auf wiederholbare, interaktive Lernsituationen, die Menschen in ihrem Alltag abholen.

Damit aus passiver Angst aktive Handlungssicherheit wird.

An wen richtet sich die Notfallakademie und was erwartet die Teilnehmenden?

Unsere Inhalte sind so aufgebaut, dass sie möglichst viele Menschen erreichen – und zwar dort, wo sie gerade stehen. Von der Mutter mit Kleinkind über den pflegenden Angehörigen bis hin zu Menschen, die beruflich in Gesundheitsberufen tätig sind.

Wir starten mit Modulen zu Erster Hilfe im Alltag, Hausapotheke, Stromausfall, Atemnot, Blutungen und psychologischer Ersthilfe – für Laien verständlich, aber fundiert. Dazu kommen interaktive Fallbeispiele, Entscheidungshilfen, Downloads und später auch Micro-Zertifikate.

Parallel entwickeln wir Inhalte für Heilpraktiker:innen, Pflegeeinrichtungen und perspektivisch auch für Einsatzkräfte im Bevölkerungsschutz.

Unser Motto: Wissen, das bleibt und im Notfall funktioniert.

Die Notfallakademie steckt noch in den Kinderschuhen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Am 05. Mai geht’s los – der offizielle Start der Notfallakademie.
Ich hoffe natürlich, dass alles reibungslos läuft und vor allem: dass wir Menschen erreichen, die unser Angebot wirklich nutzen wollen. Die Lust haben, sich vorzubereiten – für ihre Familie, ihre Mitmenschen, für sich selbst.

Langfristig wünsche ich mir, dass die Notfallakademie ein fester Bestandteil der zivilen Vorsorge in Deutschland wird – so selbstverständlich wie Rauchmelder oder Erste-Hilfe-Kästen. Eine Plattform, die Wissen vermittelt, das stark macht – nicht nur für den Moment, sondern für’s ganze Leben.

Wir wollen weiter wachsen – mit neuen Inhalten, digitalen Tools, Kooperationen und Schnittstellen zu bestehenden Angeboten.
Ich kann mir gut vorstellen, dass wir künftig auch praktische Kurse vor Ort vermitteln – vorbereitet durch unsere digitalen Module.

Kooperationen mit Behörden, Hilfsorganisationen, Bildungsanbietern und Firmen aus der Vorsorgebranche sind ausdrücklich willkommen – sofern sie unser Ziel teilen: Menschen befähigen statt bevormunden.

Mir geht es nicht um Reichweite um jeden Preis – sondern um Wirkung.

Ich wünsche mir, dass Menschen nach einem unserer Kurse sagen: „Ich hätte mir das vorher nicht zugetraut – aber jetzt weiß ich, was zu tun ist.“

Wenn dieses Gefühl entsteht, war alles richtig.
Denn genau darum geht es: um Vertrauen.
In sich selbst. In das, was man kann.

Mit WhatsApp immer auf dem neuesten Stand bleiben!

Abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:

Kennen Sie schon unser Crisis Prevention Printmagazin?

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Verwendete Schlagwörter

BevölkerungsschutzErste HilfeNotfallResilienzZivilschutz
Index