Die nationale Vorgabe zur zivilen Verteidigung Deutschlands

Die verteidigungspolitischen Richtlinien 2023 (VPR 2023) aus dem BMVg liefern als erstes aktuelles Dokument der Zeitenwende eine genauere Vorstellung davon, was die zivile Verteidigung zu leisten in der Lage sein soll. Dort wird als übergeordnetes Ziel festgeschrieben, dass die zivile Verteidigung die Zivilbevölkerung sowie eigene und verbündete Streitkräfte versorgen können muss, um deren Operationsfähigkeit und Operationsfreiheit im Bedarfsfall uneingeschränkt und durchhaltefähig zu gewährleisten.

Die neuen Anforderungen an die zivile Verteidigung erfordern eine Rejustierung der Fähigkeiten und Vorgehensweisen.
Die neuen Anforderungen an die zivile Verteidigung erfordern eine Rejustierung der Fähigkeiten und Vorgehensweisen.
Foto: Bundeswehr/Tom Twardy

Ein besonderes Augenmerk der zivilen Verteidigung müsse hierbei, so die VPR 2023, auf den Bereichen Infrastruktur, Logistik, Gesundheitsversorgung, sowie Schutz und Sicherung liegen. Da diese Unterstützungsleistungen aus Sicht des BMVg nur gesamtstaatlich und im Rahmen der Gesamtverteidigung zu erfüllen sind, seien diese prioritär zu definieren.

Konzeption Zivile Verteidigung

In der Konzeption Zivile Verteidigung (KZV), die aus dem Jahr 2016 datiert, werden diesem Bereich weitere Aufgaben zugeordnet. Hierzu zählen im Einzelnen: Die Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen, der Schutz der Bevölkerung vor den im Krieg drohenden Gefahren (Zivilschutz), die Versorgung der Bevölkerung, der Staats- und Regierungsorgane, der für den Zivilschutz und die staatliche Notfallvorsorge zuständigen Stellen und der Streitkräfte mit den notwendigen Gütern und Leistungen und die Unterstützung der Streitkräfte bei der Herstellung und Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeiten und Operationsfreiheit.

Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung (RRGV)

Als weitere Ergänzung ist in den vor etwa einem Jahr, am 05. Juni 2024, mit Beschluss des damaligen Bundeskabinetts novellierten RRGV festgeschrieben, dass Sicherheitsvorsorge nicht nur eine gesamtstaatliche, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die im Sinne der integrierten Sicherheit die Mitwirkung von Bevölkerung, Wissenschaft und Wirtschaft erfordert.

Was bedeutet das?

Die Nationale Zielvorgabe für die zivile Verteidigung, wie sie in den VPR 2023 festgehalten sind, können nur ein Teil der Aufgaben der zivilen Verteidigung sein. Zumeist ist die gewählte Reihenfolge der Aufgaben auch schon ein Hinweis auf die Priorisierung. Wenn also in der KZV die Unterstützung der Streitkräfte als vierte von vier Aufgaben aufgeschrieben ist, dann könnten die anderen Aufgaben aus Sicht des BMI eine höhere Priorität genießen.

Umso überraschender ist es aber dann, dass die in den VPR 2023 genannte Nationale Zielvorgabe für die zivile Verteidigung bisher ohne die erforderliche Erwiderung durch das BMI blieb. Dies setzt sich beim Operationsplan Deutschland leider fort. Auch hier fehlt bislang die zivile Entsprechung.

Nationale Zielvorgabe – Aber richtig!

Es ist außerordentlich lobenswert, dass das BMVg die aus seiner Sicht für die militärische Operationsfähigkeit und Operationsfreiheit notwendigen Ansprüche an die zivile Verteidigung definiert und veröffentlicht. Und es ist des Weiteren vernünftig gewesen, einen durch Einstufung als Verschlusssache geheimen Operationsplan zu erarbeiten und in Kraft zu setzen.

Dasselbe muss nun für die zivile Seite durch das BMI und die mit Fragen der inneren Sicherheit befassten obersten Landesbehörden erfolgen. Es muss also die Frage beantwortet werden, was die zivile Verteidigung für die in der KZV genannten Aufgaben abseits der militärischen Operationsfähigkeit und Operationsfreiheit leisten muss und welche Rolle dabei die Gesellschaft und die zivilen Hilfsorganisationen mit besonderem Mandat spielen. Und es braucht einen geheimen, aber föderal abgestimmten Einsatzplan der zivilen Kräfte für entsprechende Szenarien und Aufgaben. Dabei müssen wir alle erst einmal wieder lernen, dass es sicherheitsrelevante Dokumente gibt, die nicht umfassend in der Öffentlichkeit diskutiert werden.

Das Bild der zivilen Verteidigung ist also viel umfassender, als es die alleinige Betrachtung der VPR 2023 vermuten lässt. Die Formulierung „Nationale Zielvorgabe“ und die bisher nicht erfolgte „Ergänzung“ durch die Innenpolitik legen aber den Eindruck nahe, dass die zivile Verteidigung in ihren Aufgaben bereits definiert und priorisiert wäre. Das muss sich schleunigst ändern, weil daraus dann auch die Operationalisierung für die identifizierten Bedarfe erfolgen muss.

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