Medizinische CBRN-Gefahrenabwehr im Zeichen der Zeitenwende

Mit fast 190 Teilnehmenden verzeichnet das 5. Symposium zum gesundheitlichen Bevölkerungsschutz, das heute im Steigerwaldstadion Erfurt begann, eine bemerkenswerte Resonanz: Mit einer beinahe verdoppelten Teilnehmerzahl im Vergleich zu den Vorjahren unterstreicht die Veranstaltung die wachsende Bedeutung des Themas der medizinischen CBRN-Gefahrenabwehr im Kontext der Gesamtverteidigung.

Generalarzt Dr. Bruno Most zur Eröffnung des CP-Symposium 2025 in Erfurt. Thema: CBRN-Gefahrenabwehr
Generalarzt Dr. Bruno Most zur Eröffnung des CP-Symposium 2025 in Erfurt
Foto: CPM/ Sascha Schuermann

Beim ersten CP-Symposium vor vier Jahren habe er nicht erwartet, dass in 2025 CBRN-Gefahrenabwehr das Leitthema sein würde, stellte Thilo Schuppler, Geschäftsführer der DST innovation GmbH und Hauptsponsor der Veranstaltung, in seiner eröffnenden Keynote in den Raum. CBRN-Gefahrenabwehr steht wieder im Zentrum sicherheitspolitischer Überlegungen.

Generalarzt Dr. Bruno Most, Kommandeur des Kommandos Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung und traditionell der Moderator des Symposiums, brachte die Lage auf den Punkt: „Das gesamte Land beschäftigt sich intensiv damit, wie wir mit der großen sicherheitspolitischen Herausforderung umgehen und wie wir die Gesamtverteidigung militärisch und zivil resilienter machen können. Leider sind wir in vielen Bereichen noch weit entfernt von dem, was wirklich verteidigungsfähig ist.“

Ziel und Weg zugleich: Zivil-militärische Zusammenarbeit

Die Teilnehmerstruktur des CP-Symposiums spiegelt den ganzheitlichen Ansatz des der Veranstaltung wider: Uniformen der Bundeswehr, ziviler Hilfsorganisationen und der Feuerwehr prägen das Bild ebenso wie zivile Vertreter aus unterschiedlichen Bereichen des Bevölkerungsschutzes. „Wir sehen hier diese Mischung in perfekter Art und Weise“, betonte Generalarzt Dr. Most und sah darin eine Bestätigung für die thematische Ausrichtung der Veranstaltung.

Die Location des CP-Symposiums: das Steigerwaldstadion in Erfurt
Die Location des CP-Symposiums: das Steigerwaldstadion in Erfurt
Foto: CPM/ Sascha Schuermann

Andreas Bausewein, Staatssekretär für Kommunales beim Thüringer Ministerium für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung, unterstrich in seiner Keynote die Notwendigkeit einer neuen Strategie: „Die Bedrohungslage macht eine neue Strategie zum Zivil- und Bevölkerungsschutz notwendig.“ CBRN-Schutz sei dabei ein wichtiger Baustein des medizinischen Zivilschutzes, sowohl in präventiver Hinsicht als auch im akuten Einsatzfall.

Drei Säulen der Einsatzfähigkeit

„CBRN – Diese vier Buchstaben machen jede Aufgabe nicht nur etwas komplexer – sie potenzieren die Komplexität“, erklärte Thilo Schuppler. Er identifizierte drei entscheidende Säulen für reale Fähigkeiten: Material, Standard Operating Procedures (SOP) und Personal – wobei alle drei ausgeglichen vorhanden sein müssen.

Besonders problematisch zeigt sich die Personalsituation: Über 40 Prozent der im Bevölkerungsschutz eingeplanten Kräfte sind mehrfach verplant. „Es muss massiv Personal aufgebaut werden“, forderte Schuppler und stellte in diesem Kontext die provokante Frage: „Warum ist die Dienstpflicht in Deutschland so negativ konnotiert? Warum denken alle an den Stress und die verlorene Lebenszeit? Und nicht daran, dass man einen entscheidenden Beitrag für Bevölkerungsschutz und Resilienz leisten kann?“

Ehrenamt als tragende Säule unter Druck

Prof. Dr. med. Simon Little, Vizepräsident der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., mahnte zur Selbstkritik: „In der Zeit der Ausschöpfung der Friedensdividende haben wir die Ehrenamtlichkeit in manchen Verbänden vernachlässigt. Das muss man ganz klar und selbstkritisch sagen.“ Dabei sei Zivilschutz in Deutschland Aufgabe des Ehrenamtes, dessen Stärkung strategisches Ziel sein müsse.

Prof. Little forderte zudem eine bundesweite Helfergleichstellung: „Es ist inakzeptabel, dass Helfer an der gleichen Einsatzstelle von unterschiedlichen Organisationen in unterschiedlichen Rechtsrahmen arbeiten – mit unterschiedlicher Haftung, unterschiedlicher Versicherungsleistung.“ Staatssekretär Bausewein pflichtete bei: „Einsatz im Bevölkerungsschutz verdient nicht nur Respekt, sondern vor allem unsere Anerkennung. Ohne den ehrenamtlichen Einsatz wäre der Bevölkerungsschutz auf diesem hohen Niveau nicht möglich.“

Die Gesundheitsversorgung muss aufwachen

Besonders kritisch äußerte sich Prof. Little zur mangelnden Vorbereitung der Gesundheitseinrichtungen:

„Das Thema Gesamtverteidigung ist in den Köpfen der Krankenhäuser noch nicht angekommen.“

Zwar gebe es Kooperationen mit den BG-Kliniken, aber nicht mit anderen zivilen stationären Gesundheitseinrichtungen. „Es reicht nicht, wenn einige Leute in den Kliniken vor Ort motiviert und befähigt sind. Es braucht die richtigen Strukturen im Hintergrund“, warnte er. Die Verletzungsmuster aus kriegerischen Auseinandersetzungen seien völlig andere als die aus Friedenszeiten.

Priorisierung der Aufgaben gefordert

Generalarzt Dr. Most mahnte Landkreise und Kommunen zur richtigen Schwerpunktsetzung: Erst müssten die Pflichtaufgaben zu Komplexen wie Stromausfall, Starkregen, CBRN und KRITIS abgearbeitet werden, bevor zusätzliche militärische Anforderungen im Rahmen des Operationsplan Deutschland angegangen würden. Mit der Erfüllung dieser Kernaufgaben seien die wichtigsten Dinge für Kriegstüchtigkeit und Resilienz erledigt.

Die Industrieausstellung zum CP-Symposium lädt zum Austausch zwischen Zivil, Militär und Industrie ein.
Foto: CPM/ Sascha Schuermann

Leuchtturmprojekte und Netzwerke

Als Leuchtturmprojekt im CBRN-Bereich hob Schuppler die Medizinische Taskforce des Bundes hervor. Zudem verwies er auf das Deutsche Netzwerk für den gesundheitlichen CBRN-Schutz, das auf Initiative der DGKM im Januar 2026 an den Start gehen soll und im Rahmen des CP-Symposiums offiziell angekündigt wurde. Solche Strukturen, Pläne und Vernetzung seien entscheidend für die Handlungsfähigkeit.

Vom „Köpfe kennen“ zur gemeinsamen Handlungsfähigkeit

„Ohne unsere Industriepartner wäre weder das CP-Symposium noch unser Auftrag möglich: die Fähigkeiten Deutschlands in der Gesamtverteidigung weiterzuentwickeln“, resümierte Generalarzt Dr. Most. Das Symposium verfolgt dabei bewusst das Ziel des „Köpfe Kennens“ – der persönlichen Vernetzung der Akteure aus Zivil, Militär, Hilfsorganisationen und Industrie.

Prof. Little fasste die Herausforderung zusammen: „Wir befinden uns in einem Zwischenstadium zwischen Frieden und Krieg. Wir müssen einen Weg finden, wie wir nicht nur die Hilfsorganisationen in Sachen Gesamtverteidigung ins Boot bekommen, sondern auch die Player der Gesundheitsversorgung. Darauf wird es zur gegebenen Zeit ankommen und wir müssen heute schon dafür sorgen, dass wir dann das Know-How haben.“

Die Menschen verstünden nun, dass Deutschland sich in einer wirklichen Bedrohungslage befinde, so Generalarzt Dr. Most. Jetzt gelte es, die notwendigen Strukturen, Kapazitäten und Fähigkeiten aufzubauen. Denn, wie Thilo Schuppler treffend formulierte: „Im Endeffekt zählen nur reale Fähigkeiten.“

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