Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutz geraten zunehmend ins Visier staatlicher und nicht-staatlicher Akteure. Was einst undenkbar schien, ist heute Realität: Einsatzkräfte werden bedroht, ihre Technik sabotiert und ihr Ruf systematisch untergraben. Auf der 71. Jahresfachtagung der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes (vfdb) in Koblenz zeichnete Oberst i.G. Sönke Marahrens ein beunruhigendes Bild der neuen Bedrohungslage für Deutschlands Gefahrenabwehr. Seine zentrale Botschaft: Die Einsatzkräfte, die bisher als neutrale Helfer galten, werden gezielt angegriffen – nicht als Hauptziel, sondern um das Vertrauen in den deutschen Staat zu erschüttern.
Das Szenario, das Oberst Marahrens beschreibt, klingt wie aus einem Thriller: Teammitglieder sagen ab oder bedrohen ihre Kollegen, Reifen an Einsatzfahrzeugen werden zerstochen, Funkgeräte versagen, und an der Einsatzstelle werden die Helfer beschimpft oder sogar tätlich angegriffen. Im Nachgang folgt dann oft eine Hetzkampagne in den sozialen Medien.
„Wir befinden uns in der neuen Realität der hybriden Bedrohung gegen demokratische Gesellschaften“, warnte der Oberst. Diese Form der Kriegsführung nutzt eine Kombination aus militärischen und nicht-militärischen Mitteln, um strategische Ziele zu erreichen – ohne dabei die Schwelle zum offenen Konflikt zu überschreiten.
Von der Theorie zur bitteren Praxis
Der Begriff der hybriden Kriegsführung wurde 2005 von dem späteren US-Verteidigungsminister James Mattis geprägt. Zunächst beschrieb er das Vorgehen nicht-staatlicher Akteure wie der Taliban oder der Hamas. Heute nutzen auch Staaten wie diese Methoden systematisch.
Oberst Marahrens bringt in seiner Keynote hierzu ein besonders perfides Beispiel an: Das Vorgehen im Ahrtal nach der Flutkatastrophe 2021. Während 1.500 Menschen als vermisst galten und über 4.000 Gebäude zerstört waren, tauchten fremde Personen im Hinterland auf. Sie fragten gezielt ältere Menschen, wie es ihnen ginge und ob ihnen jemand helfen würde – um dann den angeblich versagenden Staat zu diskreditieren.
Digitale Manipulation als Waffe
Noch subtiler ist die Unterwanderung über soziale Medien. Der Oberst schildert ein erschreckend einfaches, aber durchaus denkbares Vorgehen: Ein Angreifer meldet sich bei einer Freiwilligen Feuerwehr auf Facebook an, liked monatelang jeden Einsatz und baut Vertrauen auf. Nach einigen Monaten postet er dann gezielt kompromittierende Inhalte – etwa unpassende Bilder von Feuerwehrfrauen in Uniform. Wenn die Feuerwehr darauf reagiert, macht er einen Screenshot und schickt ihn an Medien.
„Was glauben Sie, was Ihre Feuerwehr die nächsten sechs Wochen macht? Gender-Diskussionen? Die Männer und Frauen kriegen sich in die Haare“, so Marahrens. „Und es hat mich nichts gekostet.“
Bedrohungen auf allen Ebenen
Die Angriffe erfolgen auf verschiedenen Ebenen:
Cyberattacken treffen bereits heute Feuerwehren und Rettungsdienste. Oberst Marahrens berichtete von Fällen, in denen trotz aller Sicherheitsmechanismen 400.000 Euro unwiederbringlich auf unbekannte Konten überwiesen wurden.
Kritische Infrastruktur würde gezielt angegriffen, wodurch Menschenleben gefährdet werden. IT-Systeme von Behörden, Verwaltungen und Krankenhäusern stehen im Fokus.
Desinformationskampagnen während der Corona-Pandemie zielten europaweit darauf ab, das Vertrauen in Rettungsdienste zu untergraben.
Drohnenüberwachung wird auch vor Feuerwachen nicht Halt machen. Diese sammeln mit 4K-Kameras Informationen über Standorte und Personal.
Der Weg zur Resilienz
Für den Oberst ist die Lösung ist klar: „Wir müssen Resilienz entwickeln.“ Die Gesellschaft müsse lernen, gemeinsam den ersten Schlag zu verkraften – eine Mentalität, die seit 1989 verloren gegangen sei.
Konkret fordert er von den Einsatzkräften:
- Ausbildung und Übungen zum Selbstschutz – gegen körperliche Angriffe und digitale Bedrohungen
- Digitale Sicherheit durch bessere Cybersicherheitsstandards
- Proaktive Kommunikation zur Bekämpfung von Fake News
- Internationale Kooperation mit Sicherheitsbehörden
Ein Weckruf für die Demokratie
Die Gefahrenabwehr könne sich nicht länger auf ihre traditionelle Neutralität verlassen, so das Fazit des Obersts. Die Einsatzkräfte müssten aktiv dazu beitragen, ihre Unabhängigkeit und Integrität zu schützen.
Sein Appell: Einsatzkräfte sollen sich bewusst machen, dass Angriffe gegen sie Teil hybrider Bedrohungen sein können. Nur durch Cybersicherheit, Transparenz und kritisches Denken könne eine resiliente Gesellschaft entstehen, die sich weder instrumentalisieren noch einschüchtern lässt.
Trotz aller Warnungen endete Marahrens optimistisch: „Wir leben im besten Deutschland aller Zeiten. Es ist bunt, es lebt und trotz aller Umbrüche vibriert es.“ Diese Demokratie gelte es zu bewahren – für die kommenden Generationen.
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