Geopolitische Neuordnung trifft auf KI-Revolution

Die erste Zeitenwende beschreibt Mehring als geopolitische Verschiebung hin zu einer multipolaren Weltordnung. Kriege in Europa und dem Nahen Osten, diverse Regionalkonflikte mit Eskalationspotenzial und die wirtschaftliche Rivalität zwischen China und den USA prägen diese neue Ära. Deutschland müsse als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt seine Rolle in dieser veränderten Ordnung finden, möglicherweise sogar die vakante Position als „Leader of the free world“ einnehmen.

Parallel dazu vollziehe sich eine zweite Zeitenwende: die Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI). Mehring verdeutlicht die Dimensionen mit beeindruckenden Zahlen:

„Wir leben in einer Zeit, in der ein Digitalkonzern wie Apple inzwischen 60-mal so viel wert ist wie die komplette Daimler Benz AG.“

Microsoft investiere in sechs Monaten mehr in KI als BASF als Jahresumsatz erwirtschafte. Bereits 0,3 Prozent der Nvidia-Aktien seien mehr wert als der gesamte Thyssen-Krupp-Konzern. Dies gebe seiner Meinung nach ausreichend Anlasse zu überdenken, in welche Richtung sich Deutschland entwickeln sollte.

Deutschland am Scheideweg

Diese doppelte Zeitenwende trifft Deutschland in einer prekären Situation. Neben der Wirtschaftskrise kommen der demografische Wandel und eine spürbare Staatsvertrauenskrise hinzu. Mehring diagnostiziert:

„Wir haben etwas den Kompass verloren.“

Anders als die erfolgreiche Bonner Republik mit ihrer klaren Leitidee des Wiederaufbaus fehle heute eine verbindende Deutschlandvision.

Die Lösung sieht der Staatsminister in einer neuen nationalen Idee, die Innovation und Technologie ins Zentrum stellt. Da Deutschland über keine besonderen Rohstoffe verfüge, könne zukünftiger Wohlstand nur aus den Köpfen der Menschen entstehen. Die Mission müsse lauten, Deutschland zur Heimat von Hightech zu machen.

Digitale Souveränität als Schlüssel

Besonders eindringlich warnt Mehring vor den Gefahren technologischer Abhängigkeiten von anderen Ländern. Deutschland und Europa dürften nicht die gleichen Fehler wiederholen, die bei der in der Vergangenheit bei der Energieabhängigkeit gemacht wurden. Außerdem müsse deutlich in Cybersicherheit investiert werden, denn „der Banküberfall von früher ist die Cyberattacke von heute“, so seine plastische Warnung vor den besonderen Risiken für kritische Infrastrukturen (KRITIS).

Digitale Souveränität bedeute dennoch nicht absolute technologische Autarkie, sondern eine Wahlfreiheit zu behalten. Keine Drittpartei dürfe von außen Entscheidungen innerhalb der EU treffen können. Andernfalls drohe eine gefährliche Vermischung von Tech-Oligarchie und Politik, wie sie bereits in den USA zu beobachten sei: „Diejenigen, die demokratisch legitimiert sind, haben nichts mehr zu sagen, und diejenigen, die die Entscheidungen treffen, sind nicht demokratisch legitimiert.“

Der Weg aus der Krise

Für den Weg aus der Krise zählt Mehring in seiner Keynote konkrete Anforderungen auf: ausreichend Kapital für Tech-Unternehmen, große Talente im eigenen Land unterstützen, niedrigere Energiepreise und vor allem ein Ende der Überregulierung. Deutschland müsse aus dem „Modus der Überbürokratisierung“ herauskommen, der jede Innovation im Keim ersticke.

Sein Appell mündet in einem Aufruf zur Rückbesinnung: „Lassen Sie uns zu dieser alten Bonner-Republik-Mentalität zurückkehren.“ Die alte ‚Anpacker- und Wirtschaftswundermentalität‘ müsse wiederbelebt werden, damit Deutschland ein „KI-Wirtschaftswunder“ erleben und digital souverän werden könne.

Die Vision ist klar: Deutschland soll im Herzen Europas zum Standort hochentwickelter Technik werden – nicht nur aus wirtschaftspolitischen, sondern auch aus verteidigungspolitischen Gründen. Nur so könne das Land Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit langfristig gewährleisten.