Vermeidbare Tragödien: DLRG fordert umfassendes Badeverbot im Rhein

Der Rhein stellt die mit Abstand verkehrsreichste Binnenwasserstraße in Europa dar. Rund 80 % des Güterverkehrs in der Binnenschifffahrt findet auf 884 schiffbaren Kilometern statt. Damit verbindet der Rhein als zentrale Verkehrsachse wichtige Industriezentren mit den Seehäfen im Norden. Bis Ende Juli 2025 sind der Halbjahresbilanz der DLRG zufolge schon 34 Menschen in NRW ertrunken, viele davon im Rhein. Mehrere Kommunen haben in der vergangenen Woche umfassende Badeverbote ausgesprochen. Die DLRG Bonn fordert dies auch für den Bezirk Bonn. Das Security Network hat bei der ansässigen Ortsgruppe nachgefragt.

Das Interview führte Jessica Fuchs.

Damit es nicht mehr zu Badeunfällen im Rhein kommt, fordert die DLRG Bezirk Bonn e. V. ein umfassendes Badeverbot
Damit es nicht mehr zu Badeunfällen im Rhein kommt, fordert die DLRG Bezirk Bonn e. V. ein umfassendes Badeverbot.
Foto: DLRG Bezirk Bonn e. V.

In einer offiziellen Pressemitteilung spricht Marco Lambertz für die DLRG Bezirk Bonn e. V. davon, dass bloße Warnhinweise nicht ausreichen, um Menschen von den lebensgefährlichen Risiken des Badens im Rhein abzubringen: Die Gefahr des Flusses würde allgemein unterschätzt. Marco Lambertz schreibt in seinem Text unmissverständlich: „Jede ertrunkene Person im Rhein ist eine vermeidbare Tragödie“. 

Was bedeutet die Forderung nach einem „umfassenden Badeverbot“?

Es gibt in Bonn de facto schon ein Badeverbot. Das geht aus der Badeverordnung Rhein-Kleve hervor: 100 Meter oberhalb und unterhalb von Brücken darf man nicht schwimmen. Ebenso ist das Schwimmen 100 Meter unterhalb von Anlegern verboten – das bezieht sich vor allem auf Hafengebiete und somit auf den Bonner Norden.

Diese Verbote sind also schon geregelt. Es steht allerdings keine Strafe dahinter: Wenn nun doch in diesen Bereichen gebadet wird, kommt vielleicht im Zweifelsfall die Wasserschutzpolizei oder das Ordnungsamt und weist auf das Verbot hin, mehr nicht. Deswegen wird generell die Einhaltung des Verbots kaum kontrolliert, denn es ist ohne folgende Sanktionierungen eigentlich so nicht durchsetzbar. Deshalb fordern wir dieses umfassende Badeverbot, denn damit wäre das Baden an allen Stellen im Rhein verboten.

Eine weitere Definitionsfrage: Wo beginnt denn echtes „Baden“?

Guter Punkt! Die Stadt Düsseldorf definiert zum Beispiel als Baden alle Berührungen mit dem Wasser, die oberhalb des Knöchels stattfinden. Auch Neuss und Meerbusch halten die Regel seit Kurzem so, da fand also eine Einigung für die Region statt.

Man könnte natürlich auch andere Definitionen ansetzen: alles bis zu den Knien geht, alles bis zur Hälfte des Unter- oder Oberschenkels, … darüber kann man also streiten. Wenn man allerdings betrachtet, wie sich solche Angaben für kleine Kinder verhalten, dann wird schnell deutlich, dass das Baden mit Wasser bis zu den Knien schon gefährlicher ist als für Erwachsene.

Damit nun aber keine Unterscheidungen zwischen Regeln für Kinder und Erwachsene gemacht werden müssen, ist es schlichtweg praktischer für alle Menschen die Knöchel-Regel einzuführen – die für kleine Kinder aber natürlich auch schon gefährlich sein kann.

Wasserretter der DLRG im Einsatz auf dem Rhein bei Bonn
Wasserretter der DLRG im Einsatz auf dem Rhein bei Bonn
Viele wissen, dass die Gefahren bei fließenden Wässern vor allem von den Strömungen unter der Wasseroberfläche ausgehen. Wo liegen hierbei die Tücken, wenn man tiefer als mit dem Knöchel ins Wasser geht?

Wenn man etwas tiefer in strömendem Gewässer steht und die Füße – wenn auch nur für kurze Zeit – den Boden verlassen, hat man keine Kontrolle darüber, wo man anschließend landet. Beim festen Stehen im Wasser spürt man vielleicht nur einen Druck durch die Strömung. Doch wenn kein fester Boden mehr unter den Füßen ist, schiebt die Strömung den Körper unkontrolliert irgendwo hin, möglicherweise auch in die Nähe eines ankommenden Schiffes oder eines anderen Wassergefährtes.

Die Strömung macht sich ja keine Gedanken darüber, dass der Mensch dadurch in große Not geraten wird.

Wenn man beobachtet, dass eine Person von der Strömung erfasst wird und sich selbst nicht mehr an Land begeben kann, sollte sofort der Notruf gewählt werden.

Wie läuft der Einsatz bei einem Strömungsunfall von der Alarmierung bis zur Rettung ab?

Wenn der Notruf gewählt wurde, erhalten die sich in Rufbereitschaft befindenden ehrenamtlichen DLRG-Kräfte bereits eine Voralarmierung, damit wir uns auf den Weg begeben können. Die Einsatzstelle und die Art des Unfalls sind zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau klar, aber wir sind wenigstens schon einmal unterwegs. Wenn der richtige Alarm kommt, erfahren wir natürlich über Funk den genauen Standort.

Hierbei gibt es allerdings die Schwierigkeit, dass sich das Wasser durch die Strömung bewegt. Die Person wird sich also nicht mehr an der Stelle befinden, die zum Zeitpunkt des Notrufes an die Leitstelle mitgeteilt wurde. Bis die Wasserretter nach etwa 10 bis 15 Minuten eintreffen, sollte die verunfallte Person von Außenstehenden unbedingt gut im Blick behalten werden und weiterhin per Telefon mit der Leitstelle in Verbindung bleiben. Je genauere Angaben die Wasserretter über die Lokation erhalten, desto weniger muss gesucht und desto schneller kann gerettet werden.

Die Kommunikation zwischen der Leitstelle und der DLRG erfolgt über den BOS-Funk. Für die Wasserrettung gibt es dabei zwei einheitliche Gruppen: zum einen die Kräfte auf dem Wasser, zum anderen die Führung. Beim Einsatz sind am Ende neben der DLRG auch Kräfte der Feuerwehr und gegebenenfalls je nach Vorfall auch die Wasserschutzpolizei oder die Wasserwacht. All diese Akteure können sich über einen gemeinsamen Kanal im BOS-Funk austauschen.

Thema Zeit: Die Uhr ist bei Rettungseinsätzen aller Art der größte Gegner. Wie schnell kann die DLRG Bonn bei einem Wasserunfall vor Ort sein?

Mit Glück ist 15 Minuten nach dem Notruf jemand auf dem Wasser und vor Ort. Das kommt auf verschiedene Faktoren an. Nach der ersten Alarmierung müssen die Ehrenamtlichen zunächst zur Station der DLRG in Bonn-Beuel kommen – je nach Wohnort kann dieser Weg mehr oder weniger Zeit beanspruchen. Nach Ankunft in der Station müssen sich die Wasserretter umziehen, was mit Übung ziemlich schnell geht.

Boot mit Besatzung und Material
Boot mit Besatzung und Material
Foto: DLRG Bonn / Martin Karkos

Danach hängt die Wegzeit auf dem Wasser natürlich von der Unfallstelle ab. Unsere Station in Beuel liegt ziemlich mittig im Stadtgebiet zwischen der Kennedy- und der Südbrücke. Unsere Boote können bis zu 70 km/h schnell fahren, unser Jetski sogar 90 km/h – ab dem Zeitpunkt, an dem wir auf dem Wasser sind, geht es also zügig.

Was zufällig schon ein paar Mal passierte: Alarmierungen, wenn wir gerade eine DLRG-Übung auf dem Wasser durchführen. Wenn wir schon für die Übung auf dem Wasser waren, konnten wir in Einzelfällen innerhalb von einer Minute an die Einsatzstelle gelangen. Hierbei handelt es sich für alle um einen absoluten Glücksfall.

Wenn man versuchen möchte es in Zahlen zu fassen: Wie viele Notrufe gehen jährlich bei der DLRG Bonn ein und wie häufig finden Übungen auf dem Wasser statt?

Wir erhalten auf ein Jahr gesehen etwa 50 reine Alarmierungen in Bonn. Die Übungen in Zahlen zu fassen, ist schwierig. Wir versuchen jede Woche zu üben, zumindest im Sommer. In der alarmierbaren Rufbereitschaft der DLRG Bonn befinden sich insgesamt 40 Ehrenamtliche, die nicht immer alle verfügbar sind: Sie verfolgen einen anderen Hauptberuf, sind vielleicht auch mal im Urlaub. Deshalb ist nicht so, dass jede Einsatzkraft jede Woche übt.

Es soll aber möglichst regelmäßig geübt werden, damit wir im Ernstfall bestmöglich vorbereitet sind. Am kommenden Sonntag üben wir zum Beispiel gemeinsam mit der Feuerwehr, Atemschutzgeräteträger aus dem Wasser zu bergen – das ist etwas speziell, aber kann passieren, wenn Feuerwehrleute während eines Einsatzes vom Feuerwehrboot fallen. Man muss sich auf alles einstellen, was theoretisch passieren könnte. Und wenn dann doch etwas Neues passiert, kann man per Transferleistung das Geübte auf die neue Situation übertragen.

Man spricht immer lieber über erfolgreiche Rettungseinsätze. Auch diese wären Ihren Aussagen zufolge mit einem umfassenden Badeverbot vermeidbar. Aber wie sehen andere Einsätze aus, die nicht positiv ausgehen?

Ein Einsatz der DLRG kann auch so aussehen, dass wir nichts mehr retten können: die Bergung einer Leiche, die im Wasser treibt. Diese Menschen sind in der Regel nicht in Bonn im Wasser verunfallt, sondern konnten weiter südlicher, in Koblenz beispielsweise, nicht mehr gefunden und gerettet werden. Solche Fälle sind, wenn es sich um Badeunfälle und nicht um willentliche Suizide handelt, mit einem umfassenden Badeverbot im Rhein vermeidbar.

Zusammenarbeit der DLRG und der Wasserschutzpolizei
Zusammenarbeit der DLRG und der Wasserschutzpolizei
Foto: DLRG Bezirk Bonn e. V.

Solche Einsätze können für unsere Einsatzkräfte sehr belastend sein. Um die Menschen im Kontext eines solchen Einsatzes zu unterstützen, gibt es die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV). Die Stadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis (SU) haben sich hierfür zusammengeschlossen: Eine Gruppe einsatzerfahrener Kräfte verschiedener Organisationen kann bei einem solchen Einsatz mitalarmiert werden, die die Einsatzkräfte unterstützen.

Diese Option wird immer gewählt, wenn ein Einsatz potenziell belastend für die Einsatzkräfte sein könnte: die Bergung einer Leiche, aber auch andere Szenarien können schwierig auszuhalten sein. Vor zwei Jahren gab es in Bonn zum Beispiel einen Einsatz, bei dem wir einen Vater und ein Kind im Wasser nicht finden konnten. Es war aber auszuschließen, dass sich die beiden an Land befinden, da die Mutter allein am Uferrand zurückblieb. Nach einiger Zeit mussten wir den Einsatz also mit dem Wissen beenden, dass die beiden Menschen nicht gerettet werden konnten.

In solchen Fällen ist es für die betroffenen Einsatzkräfte gut, wenn die Gruppe der Psychosozialen Notfallversorgung dabei ist und bei der Nachbesprechung hilft. Was darüber hinaus möglich ist: Mit einer Meldung des Vorfalls an die Unfallkasse ist es möglich, kurzfristig und relativ reibungslos psychologische Hilfe in ansässigen Psychotherapiepraxen zu bekommen.

Kommen wir zurück zu dem Ausgangsthema: die Umsetzung eines umfassenden Badeverbotes im Rhein im Stadtgebiet Bonn. Welche Schritte müssen dafür nun noch gegangen werden und wer entscheidet schlussendlich darüber?

Die Frage der Zuständigkeit ist schon eine Geschichte für sich: Die Stadt Köln hat die Diskussion in Nordrhein-Westfalen zum Thema des umfassenden Badeverbotes begonnen, ging allerdings davon aus, dass die Zuständigkeit beim Bund liegen würde, da es sich beim Rhein um eine Bundeswasserstraße handelt. Das Bundesinnenministerium hielt diesen Sachverhalt wiederum für eine Angelegenheit von Land und Kommunen.

Später hat das Innenministerium von NRW eine Erklärung veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass die Kommunen eigenständig über weitere Badeverbote im Rhein entscheiden dürfen. Das hat wohl einige Verwunderung hervorgerufen, die ich mangels juristischer Ausbildung nicht einordnen und bewerten möchte. An den Beispielen Düsseldorf, Neuss und Meerbusch ist aber nun zu sehen, dass die Kommunen eigenständig das umfassende Badeverbot aussprechen können und dürfen.

Meiner Meinung nach steht in den Verordnungen dieser drei Kommunen faktisch schlussendlich dasselbe. Bonn könnte sich also einfach daran anschließen. So wird es zwar einheitlich – einfacher wäre es aber vielleicht gewesen, wenn das Land Nordrhein-Westfalen eine Verordnung erlassen hätte. Für uns als DLRG Bonn ist es am Ende nur wichtig, dass die Verordnung zum umfassenden Badeverbot kommt, der Weg dahin liegt nicht in unserer Hand.

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