Heiko Teggatz, geboren am 13.11.1972 in Itzehoe, ist Vorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft und seit 2000 freigestelltes Mitglied im Bundespolizeihauptpersonalrat beim BMI. Darüber hinaus ist er stellvertretender Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion. Wir haben mit ihm über die Drohnenvorfälle am Flughafen München im Herbst 2025 gesprochen.
Das Interview führte Jessica Fuchs.
Wir haben uns heute getroffen, um über die Drohnensichtungen am Flughafen München zu sprechen. Dazu gab es Anfang Oktober 2025 eine ziemliche Nachrichtenwelle in den Medien. Wie haben Sie diesen Sachverhalt denn aus polizeilicher und auch aus gewerkschaftlicher Sicht wahrgenommen?
Gerade im sensiblen Bereich eines Flughafens ist es leider auch in der Vergangenheit schon zu Vorfällen im Bereich der Luftsicherheit gekommen, durch Vogelschlag beispielsweise. Und immer dann sind natürlich unglaublich viele Menschenleben gefährdet. Deshalb ist es wichtig, dass ausgeschlossen ist, dass irgendwelche Flugobjekte, ob jetzt Hobbydrohnen, kommerzielle Drohnen oder möglicherweise auch militärische Drohnen, luftseitig in diesen Sicherheitsbereich eindringen können.
Wir als Deutsche Polizeigewerkschaft fordern schon seit längerem die Betreiber im Bereich der Aufgabe Luftsicherheit mehr in die Pflicht zu nehmen. Wir fordern vor allem aber die Zuständigkeiten auf den Flughäfen mal so zu sortieren, dass im besten Fall eine Behörde für die Sicherheit eines Flughafens zuständig ist und nicht wie jetzt vier oder fünf.
Bei dem Vorfall in München gingen alle Alarmglocken bei mir an. Drohnen sind in aller Munde, mit Blick in die Ukraine auch nicht erst seit gestern und gemacht hat die Bundesregierung bzw. die Vorgänger der aktuellen Bundesregierung noch nichts in diesem Punkt, obwohl wir immer den Finger gehoben haben. Jetzt ist Bewegung reingekommen und insofern hoffe ich, dass sich die Politik zusammenrauft und festlegt, wer diese Aufgabenübernimmt.
Sie sind selbst an der Dienststelle von der Bundespolizeiinspektion am Flughafen Hamburg tätig. Das heißt, Sie sind wirklich hautnah dran, wie es an deutschenFlughäfen läuft. Wer ist denn eigentlich alles zuständig für die Sicherheit am Flughafen, was die Luftsicherheit angeht?
Ganz oben in der Spitze der Zuständigkeitsketten steht natürlich das Luftfahrtbundesamt. In dessen Zuständigkeit fällt alles, was sich im Luftraum bewegt. Für die Sicherheit des Flughafengeländes selbst, sowohl landseitig als auch luftseitig, ist der Flughafenbetreiber zuständig. Für jedwede Gefahrenabwehr innerhalb des Flughafens, die nicht mit der Sicherheit im Luftverkehr zu tun hat, ist die Landespolizei zuständig.
Die Bundespolizei ist für die Gefahrenabwehr am Flughafen zuständig und übergibt Fälle zur Strafverfolgung oder Ahndung von Ordnungswidrigkeiten an die Landespolizei weiter. Und dann gibt es natürlich noch die Sicherheitsbereiche innerhalb des Flughafens. Hier kommt wieder der Flughafenbetreiber in Frage, wenn es darum geht, für sichere Lieferketten in den Sicherheitsbereich zu sorgen.
Die Kontrolle dazu lag wie für Fracht allgemein mal beim Zoll, ist jetzt aber wieder ins Bundesinnenministerium eingebunden worden. Also Sie merken schon, dort arbeiten mehrere Behörden, Bund und Land und schlussendlich natürlich auch einige Bezirksämter je nach Struktur in den jeweiligen Bundesländern, an einer Stelle, um für die Gefahrenabwehr und die Sicherheit der Flughäfen und des Flugverkehrs zu sorgen.
Das ist ein Zustand, den wir von der DPolG schon seit Jahren kritisieren. Oftmals handelt es sich auch noch private Wachschutzunternehmen, die die Reisegepäckkontrolle durchführen, das Handgepäck kontrollieren oder sogar den Zaun um einen Flughafen herum im Auftrag des Flughafenbetreibers bewachen. Dies wird oft zu Dumpingpreisen bei den Sicherheitsfirmen durchgeführt – das hat nicht immer die beste Qualität in Sachen Sicherheit.
Wir haben Vorbehalte gegen die privaten Wachschutzunternehmen, die diese Aufgaben an den Flughäfen übernehmen. Man gibt Terrorismusbekämpfung auf diese Weise in private Hände. Das muss sich ändern. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, das Thema vom Grunde auf neu anzupacken.
Wir fordern beispielsweise schon seit längerem die flächendeckende Einführung halbstaatlicher Luftsicherheitsunternehmen nach dem bayerischen Modell. Am Münchener Flughafen zum Beispiel ist es keine Privatfirma, die dort die Luftsicherheitskontrollen durchführt, sondern eine landeseigene Sicherheitsgesellschaft. Das hat eine ganz andere Qualität beim Personal, die dort die Sicherheitskontrollen durchführen und sowas würden wir uns auf allen großen Verkehrsflughäfen in Deutschland wünschen, wo die Zuständigkeit über das Luftsicherheitsgesetz beim Bund liegt.
Das sind viele Forderungen. Es ist nun ein bisschen Bewegung reingekommen durch diese Drohnen-Thematik. Wenn wir mal schauen wollen in Bezug auf Drohnen und das, was die Polizei leisten kann und soll: Welche Aufgaben übernimmt sie gerade in Sachen Drohnen, welche Möglichkeiten stehen ihr dabei zu und welche Möglichkeiten hat sie gerade noch nicht?
Ja, also das ist auch wieder ein sehr komplexes Thema. Wir sind ja alle überrascht worden von diesem Phänomen der Attacken auf kritische Infrastruktur und auch auf den Flughäfen. Wir müssen hier aber nochmal unterscheiden zwischen dem Scherzkeks der mit seiner Hobbydrohne meint, mal ein Foto hinter dem Flughafenzaun zu machen und demjenigen, der einen Sicherheitsbereich auf dem Flughafengelänge aufklären zu wollen oder denjenigen, die es wirklich böse meinen und versuchen mit so einer Drohne vielleicht ein Luftverkehrsfahrzeug vom Himmel zu holen oder andere schlimme Dinge anzurichten wie Spionage oder gar militärische Attacken.
Es klingt brutal, wenn ich das so sage, aber derzeit sind wir von Seiten der Polizei nur in der Lage, Drohnen zu beobachten. Keine Polizei in Deutschland ist derzeit so technisch ertüchtigt wie die Bundeswehr beispielsweise, um solche Angriffe auch wirklich in letzter Konsequenz abwehren zu können.
Zu einer vernünftigen Drohnenabwehr gehört zum einen das Erkennen von Drohnen und die Analyse ihrer Herkunft sowie des Verhaltens in der Luft.Wie wird diese Drohne gelenkt? Wo ist derjenige, der lenkt? Also die Detektion bis hin letztendlich zum Abfangen der Drohne, entweder durch Störung des Funksenders der Drohne, durch ein Fangnetze oder im schlimmsten Fall durch den Abschuss. Alles das sind Dinge, mit denen sich die Bundespolizei zwar schon befasst, aber tatsächlich konzipiert wurde noch nichts.
Derzeit ist es in dieser sogenannten Chaosphase zuerst einmal wichtig, dass diejenigen Drohnen abwehren, die es können. Insofern bin ich auch offen dafür, dass die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe derzeit dafür eingesetzt wird. Ich kann es nicht verstehen, wenn politische Kräfte dabei jetzt die großen Bedenkenträger sind und sagen, die Bundeswehr hätte im Inneren nichts zu suchen. Grundsätzlich ist das so – aber wenn es gerade nicht anders geht, ist es eben so. Da muss man schnell eine Lösung finden, wie man die Fähigkeiten der Behörden, die es können, einsetzt, um Schlimmes zu verhindern.
Das, was Bundesinnenminister Alexander Dobrindt gerade mit diesem zentralen Bündeln der Möglichkeiten in einem Drohnenabwehrzentrum beim Bund vorhat, halte ich für genau richtig. Er möchte bis Ende November einen ersten Aufschlag gemacht haben. Was wir derzeit in der Situation nicht gebrauchen können, sind Alleingänge der Polizeien in den Ländern. Dann haben wir irgendwann 16 unterschiedliche Systeme für Drohnenabwehr mit vollkommen unterschiedlichen Zielrichtungen. Das, so glaube ich, bringt uns nicht weiter, sondern das wird das Chaos noch viel mehr fördern.
Aber wenn wir jetzt auf die kritischen Infrastrukturen schauen und gerade Flughäfen oder Bahnhöfe: Die fallen ja eigentlich in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei. Dementsprechend müsste es doch theoretisch möglich sein, eine einzige Lösung für alle Länder zu erarbeiten, oder?
Eigentlich ja. Klingt einfach. Also zumindest für die Gefahrenabwehr auf Bahnanlagen ist die Bundespolizei zuständig. Für die Gefahrenabwehr der eigenen Einrichtungen und für den Schutz von Bundesorganen ist die Bundespolizei zuständig. Für die Gefahrenabwehr luftseitig auf die Flughäfen ist die Bundespolizei leider nicht zuständig.
Und deshalb kam die Idee von Bundesinnenminister Dobrindt, die ich absolut begrüße, das Luftsicherheitsgesetz dahingehend anzupassen, dass die Bundespolizei die Kompetenz für die Gefahrenabwehr neben dem Flughafenbetreiber im § 8 Luftsicherheitsgesetz auch erhält. Nur dann ist die Sache rund. Derzeit ist es nicht so.
Derzeit ist auch die Landespolizei nicht zuständig für die luftseitige Gefahrenabwehr, sondern ausschließlich der Flughafenbetreiber. DAS ist der wunde Punkt und den gilt es zu beheben – und zwar am besten möglichst schnell.
Kurz nach den Vorfällen in München merkte man, dass sich politisch sehr viel in diesem Bereich tut, wie man an dem Entwurf zur Reform des Bundespolizeigesetzes sehen konnte, in dem es auch darum geht, der Bundespolizei den Abschuss vonDrohnen zu ermöglichen. Wie sehen Sie das denn?
Nach solchen Vorfällen kommt es immer zu Reaktionismus, das ist völlig klar. Schade, dass immer erst was passieren muss, ehe die Politik wach wird und dann über die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden nachdenkt. Aber wenn sie es tut, dann soll sie es jetzt bitte ziemlich zügig machen und dann soll sie auch in enger Abstimmung mit den Ländern der Bundespolizei die Kompetenz dafür geben. Wir haben ja schon gewissermaßen die Zuständigkeiten für die Dinge dann sollten wir sie da auch nutzen und mit Bund und Ländern einen gemeinsamen Weg finden.
Die Bundespolizei wird es nicht leisten können, über alle kritischen Infrastrukturen jetzt einen Drohnenschirm zu stülpen. Aber wenn man der Bundespolizei wenigstens mal für ihren Aufgabenbereich gesetzlich eine ganz klare Kompetenz überträgt, dann ist das schon mal viel wert und so können die Länder sich selbstverständlich auch auf ihre ureigensten Aufgaben konzentrieren.
In Sachen Drohnen sollten aber bitte alle Länder mit der gleichen Technik arbeiten, damit wir nicht ein Phänomen erleben wie beim Digitalfunk, dass sich Bundesländer untereinander nicht per Funk verständigen können. Aber ich bin guter Dinge, dass dort Bund und Länder eine gemeinsame Lösung finden. Wir drücken als Gewerkschaft nur aufs Gaspedal und erwarten, dass schnell eine Entscheidung kommt. Denn es sind auch immer personelle Entscheidungen und damit finanzielle Entscheidungen.
Der Bundeshaushalt wird jetzt aufgestellt und wenn man sowas möchte, dann sollte man jetzt dafür sorgen, dass entsprechend Gelder im Bundeshaushalt, zumindest was die Bundespolizei und das BKA angeht, eingestellt werden, damit man die Ärmel hochkrempeln und loslegen kann. Man muss es nur beschaffen, man muss das Personal schulen, man muss Personal bereitstellen, um solche Technik betreiben zu können. Dann ist das kein Hexenwerk.
Welche nächsten Schritte würden Sie der Bundesregierung empfehlen?
Also zunächst mal, das haben wir seitens der Gewerkschaft der Bundesregierung schon empfohlen, muss ganz schnell das Luftsicherheitsgesetz geändert werden. Das Bundespolizeigesetz muss angepasst werden, sodass die Zuständigkeiten für die Bundespolizei in Sachen Drohnen ganz klar geregelt sind.
Die Idee eines Bundesabwehrzentrums für Drohnen, natürlich in guter Kooperation mit den Ländern, ist eine sehr gute Idee und sollte ganz schnell umgesetzt werden. Aber: Wie viel Geld brauche ich dafür, wie viel Geld muss ich einsetzen und investieren in so ein Sicherheitssystem und wo kriege ich das Personal her, das ich dafür brauche? Das müssen nicht zwingend Beamte sein, das können auch Tarifbeschäftigte gut erledigen.
Wir brauchen Ingenieure, wir brauchen Fachkräfte, die sich damit auskennen. Und dann muss man entsprechend Geld in die Hand nehmen, wenn man die besten einkaufen will. Für die Sicherheit der in Deutschland lebenden Menschen ist nur das Beste gut genug. Aber ich muss eine finanzielle Vorsorge treffen. Ich denke wir sprechen da über einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag, den die Bundesregierung dafür extra in die Hand nehmen müsste.
Man darf nicht vergessen: Der Staat hat ein Schutzversprechen gegenüber seiner Bevölkerung. Und das gilt es auch in dem Fall unbedingt einzulösen.
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