Erstmals liefert das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) eine systematische Analyse der Oberflächentemperatur-Verteilung für Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern in Deutschland. Dabei zeigt sich, dass die Versiegelung die Hitzebelastung in unseren Städten verstärkt: Gerade in hochversiegelten, dicht bebauten Stadtlagen kommt es zu erhöhten Temperaturen. Für die ausgewählten mehr als 70 Großstädte, darunter Berlin, München, Frankfurt, Stuttgart, Köln und Hamburg, ist dies nun räumlich aufgelöst entsprechend der geografischen Lage und Struktur nachvollziehbar. Dafür wurden thermale Aufnahmen der US-amerikanischen Landsat-Satelliten ausgewertet. Die Analysen liefern eine fundierte, datenbasierte Grundlage, um in Ballungsräumen konkrete Maßnahmen gegen die Hitze ergreifen zu können.

„Das DLR begleitet und unterstützt mit seiner anwendungsorientierten Forschung aktiv öffentliche Stakeholder wie Ministerien, Kommunen und Behörden sowie die Wirtschaft. Durch einen intensiven Wissensaustausch vergrößert das DLR den Nutzen seiner Technologien für die Gesellschaft“, sagt Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Informationen aus dem Weltraum sind grundlegend für ein noch besseres Verständnis von Prozessen wie den klimatischen Entwicklungen in Städten und Ballungsräumen. Durch die im DLR entwickelten Verfahren und Methoden zur Be- und Verarbeitung von Satellitendaten können verlässliche Informationen und Anwendungen für ein breites Spektrum an Handlungsempfehlungen bereitgestellt werden.“
Die Forschenden des DLR haben die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen von Juni, Juli und August in den Jahren 2013 bis 2024 einbezogen. Oberflächentemperatur und Lufttemperatur entsprechen sich nicht 1:1, sie stehen aber in direktem Zusammenhang und die räumlichen Muster ähneln sich. So lassen sich Hitze-Inseln eindeutig anhand der Oberflächentemperaturen identifizieren. Diese werden in Beziehung gesetzt zu Variablen wie Stadtgröße, Lage in Deutschland und Lage im Stadtgebiet.
Hinzu kommen verschiedene Stadtstrukturtypen wie Einfamilienhausgebiet, Großwohnsiedlung oder Blockbebauung. Die Forschenden haben zusätzlich Erdbeobachtungsdaten mit Stadtklimamodellen kombiniert, um die Temperaturverteilung in verschiedenen Stadtgebieten mit bis zu einem Meter Auflösung detailliert zu simulieren. Mit diesen Simulationen auf Gebäudeebene lassen sich wichtige Faktoren wie Beschattung und Exposition einzelner Bereiche präzise erfassen. So kann gezielt analysiert werden, wo in der Stadt die Hitzebelastung besonders hoch ist.
Temperaturunterschiede zwischen Stadt und Land
„Aus der Fernerkundung haben wir mittlerweile umfangreiche Daten, um räumliche Hitze-Hot-Spots zu identifizieren, zu quantifizieren und zu monitoren. Dieses Wissen kann eingesetzt werden, um die Hitzebetroffenheit der Stadtbevölkerung zu reduzieren“, sagt Thilo Erbertseder, der im DLR zu Stadtklima und Gesundheit forscht. Er betont, dass aus umweltmedizinischer Sicht Hitzestress für den Organismus nicht allein von der Oberflächen- oder Lufttemperatur abhängt, sondern zusätzlich von Faktoren wie Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Strahlung. Diese Faktoren können die Hitzebelastung für Menschen verstärken.
„Unsere Auswertungen zeigen im Detail, dass die Differenzen von Oberflächentemperaturen zwischen Innenstadtgebieten und ländlichen Räumen teilweise acht bis zehn Grad betragen können“, sagt Prof. Hannes Taubenböck vom Earth Observation Center des DLR.
Wie diese Temperaturverteilung für einzelne Städte oder Regionen im Detail aussieht ist, ist ein Thema der weiteren Forschung. In einer Studie am Beispiel Augsburg konnte das DLR vor einigen Jahren schon nachweisen, dass während einer Hitzewelle mehr als die Hälfte der Bevölkerung auch nachts dauerhaft hohen Temperaturen ausgesetzt ist. „Der Organismus des Menschen kann sich dann kaum von der Hitze erholen und die Gesundheitsgefährdungen steigen“, sagt Dr. Tobias Leichtle, der die Augsburg-Studie geleitet hat.
Kühlung durch Stadtgrün
Allgemein zeigt sich: Städtische Strukturen mit geringer Bebauungsdichte und hohem Grünanteil weisen geringere Temperatur-Differenzen zum Umland auf als dicht bebaute Gebiete mit geringerem Grünanteil. Grüne und blaue Infrastruktur – also Vegetation und Wasserflächen – haben abhängig von ihrer Größe eine signifikante Temperaturwirkung. Sie werden wegen ihres Kühlungseffekts schon heute als Anpassungsmaßnahmen eingesetzt. Vor allem Stadtgrün kann städtische Temperaturen signifikant senken. Auch das hat eine Studie gezeigt, an der DLR-Forschende beteiligt waren.
„Diese Maßnahmen erscheinen offensichtlich. Und doch muss immer bedacht werden, dass in jeder Stadt Nutzungskonflikte bestehen zwischen der Notwendigkeit, sich an den Klimawandel anzupassen, und dem Bedarf an Wohnraum und Verkehrsinfrastruktur. Wir möchten Wissen liefern, um gesellschaftliche und politische Entscheidungen dazu bewusster treffen zu können“, sagt Hannes Taubenböck. Einige Maßnahmen könnten zum Beispiel sein, Menschen bei Hitzewellen in einzelnen Stadtquartieren gezielt zu informieren, kühle Räume zur Verfügung zu stellen, Sanierungen mit Blick auf Hitzeschutz durchzuführen oder langfristig stadtplanerische Eingriffe umzusetzen.
Von der Fernerkundung zu klimaresilienten Städten
Zukünftige Analysen des DLR werden die Temperaturwirkung nach verschiedenen Anpassungsmaßnahmen einbeziehen. Der Blick in die Vergangenheit ermöglicht einerseits, städtebauliche Entwicklungen der Temperaturentwicklung gegenüberzustellen. Zum anderen sollen Stadtklima-Modelle mit Fernerkundungsdaten gekoppelt werden, um mögliche Szenarien und geplante Maßnahmen zu bewerten. Damit leistet das DLR einen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung.
Quelle: DLR
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