Die geopolitische Lage im Jahr 2025 ist von tiefgreifenden Umbrüchen und Bedrohungen geprägt, die Deutschland und Europa vor immense sicherheitspolitische Herausforderungen stellen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die strategische Unsicherheit über die Rolle der USA in der NATO sowie die zunehmende Konfrontation zwischen den Großmächten USA und China destabilisieren die globale Ordnung. Gleichzeitig nehmen hybride Bedrohungen wie Cyberangriffe, Sabotage und Desinformation massiv zu.
In diesem komplexen Risikoumfeld kommt Deutschland eine Schlüsselrolle zu – nicht nur als logistisches Zentrum der NATO, sondern auch als Schutzmacht seiner eigenen kritischen Infrastrukturen. Der „Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU) und gesetzliche Initiativen wie das KRITIS-Dachgesetz und das NIS2-Umsetzungsgesetz markieren erste Schritte hin zu einer widerstandsfähigen Sicherheitsarchitektur.
Doch reichen sie aus, um den Herausforderungen einer neuen Ära der Unsicherheit zu begegnen?
Aktuelle geopolitische Lage
Die aktuelle geopolitische Lage im Jahr 2025 ist von einer Vielzahl schwerwiegender Krisen und Herausforderungen geprägt, die erhebliche Auswirkungen auf Deutschland und Europa haben. Im Mittelpunkt stehen drei zentrale Risikofelder:
Erstens droht eine militärische Niederlage der Ukraine gegenüber Russland, was die Sicherheitsarchitektur Europas grundlegend erschüttern und dem Kreml neue strategische Handlungsspielräume eröffnen könnte.
Zweitens herrscht große Unsicherheit hinsichtlich der Verlässlichkeit der transatlantischen Partnerschaft, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheitsgarantien der USA im Rahmen der NATO.
Drittens prägt die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China die globale Ordnung. Protektionistische Maßnahmen, Handelskonflikte und die Fragmentierung internationaler Lieferketten führen zu wirtschaftlichen Spannungen und Unsicherheiten.
Neben diesen Entwicklungen wächst die Bedrohung durch hybride Gefahren wie Sabotage, Spionage und Cyberangriffe erheblich. Politisch motivierte Gewaltbereitschaft und gezielte Desinformationskampagnen destabilisieren nicht nur staatliche Institutionen, sondern gefährden auch private Wirtschaftsakteure.
Trotz gewisser konjunktureller Erholungstendenzen in Deutschland, etwa infolge von Zinssenkungen und wirtschaftlichen Impulsen, bleibt die strukturelle Schwäche der deutschen Wirtschaft bestehen. Prognosen deuten auf eine langfristige Schrumpfung der Wirtschaftsleistung hin. In dieser angespannten Lage nimmt Deutschland eine zentrale Rolle innerhalb der NATO ein. Als logistische und infrastrukturelle Drehscheibe für militärische Bündnisoperationen kommt dem Land eine besondere sicherheitspolitische Verantwortung zu.
„Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU)
Vor diesem Hintergrund wurde der „Operationsplan Deutschland“ (OPLAN DEU) entwickelt. Dieser Plan stellt ein ressortübergreifend abgestimmtes Konzept dar, das militärische und zivile Komponenten zur Landes- und Bündnisverteidigung integriert. Er wurde als Reaktion auf die verschärfte sicherheitspolitische Lage konzipiert und soll im Fall einer NATO-Aktivierung oder nationalen Krise eine schnelle und rechtssichere Handlungsfähigkeit gewährleisten.
Der Plan umfasst detaillierte Vorgaben zu Verfahren, Zuständigkeiten und Abläufen im Zusammenspiel von Bundeswehr, Polizei, Katastrophenschutz und anderen relevanten Akteuren, wie z. B. den kritischen Infrastrukturen.
Besonderes Augenmerk gilt dem Schutz der territorialen Integrität Deutschlands sowie der Sicherstellung des reibungslosen Aufmarschs alliierter Truppen. Die erste Fassung wurde im März 2024 fertiggestellt und seither in Pilotregionen erprobt und weiterentwickelt. Es bestehen jedoch weiterhin Kapazitätslücken, insbesondere hinsichtlich des Aufbaus geplanter Heimatschutzregimenter. Daher setzt der Plan auch verstärkt auf technische Überwachungssysteme und Sensorik zur Sicherung kritischer Infrastrukturen.
Auswirkungen auf Deutschland und insbesondere die kritische Infrastruktur
Die geopolitische Lage und der Operationsplan Deutschland haben weitreichende Auswirkungen auf die kritische Infrastruktur der Bundesrepublik. Die erhöhte Bedrohungslage erfordert eine systematische Verbesserung der Resilienz in allen lebenswichtigen Bereichen wie Energieversorgung, Kommunikation, Wasser, Gesundheitswesen und Transport.
Der OPLAN DEU schafft hierbei eine koordinierte Grundlage für das Zusammenspiel militärischer und ziviler Akteure und fordert regelmäßige Übungen und Simulationen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit im Krisenfall. Gleichzeitig rücken gesetzliche Regelungen in den Fokus, die den Schutz kritischer Infrastrukturen betreffen.
Zwei Regelwerke sind hierbei besonders relevant: das KRITIS-Dachgesetz und das NIS2-Umsetzungsgesetz.
Das KRITIS-Dachgesetz soll als übergreifendes Gesetz den physischen Schutz kritischer Anlagen gewährleisten und dabei sektorübergreifende Mindeststandards etablieren. Ziel ist es, kritische Infrastrukturen vor Sabotage, Naturereignissen und anderen Gefahren zu schützen. Der Gesetzentwurf sah ursprünglich eine Umsetzung bis Anfang 2026 vor. Aufgrund des Regierungswechsels ist das Gesetz jedoch bislang nicht verabschiedet worden. Dennoch dient der Entwurf als Maßstab für zukünftige gesetzgeberische Maßnahmen.
Das NIS2-Umsetzungsgesetz überträgt die Vorgaben der europäischen NIS2-Richtlinie in nationales Recht. Die Richtlinie wurde 2022 verabschiedet, doch Deutschland hat die Umsetzungsfrist im Oktober 2024 versäumt. Der aktuelle Referentenentwurf erweitert den Geltungsbereich erheblich und erfasst über 30.000 Unternehmen, darunter auch Betreiber kritischer Infrastrukturen und besonders wichtige Einrichtungen.
Diese müssen künftig umfassende Maßnahmen zur IT-Sicherheit einführen. Dazu zählen unter anderem Informationssicherheitsmanagementsysteme, Incident-Response-Prozesse und Meldepflichten bei Sicherheitsvorfällen. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) übernimmt hierbei die Aufsicht.
In der neuesten Entwurfsfassung des NIS2-Umsetzungsgesetzes ist keine Integration des KRITIS-Dachgesetzes mehr vorgesehen. Der ursprünglich geplante ganzheitliche Ansatz wird somit nicht weiterverfolgt. Kritische Infrastrukturen stehen damit vor der Herausforderung, sowohl die IT-Sicherheitsanforderungen der NIS2-Richtlinie zu erfüllen als auch freiwillig physische Schutzmaßnahmen zu implementieren, um den Risiken aus der geopolitischen Lage zu begegnen.
Betreiber kritischer Infrastrukturen müssen ihre Risikoanalysen entsprechend anpassen. Sie haben geopolitisch bedingte Bedrohungsszenarien, hybride Angriffe und militärische Eskalationen zu berücksichtigen. Zusätzlich sind sie verpflichtet, die Anforderungen der NIS2-Richtlinie umzusetzen, etwa durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung der Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit ihrer IT-Systeme. Auch physische Schutzmaßnahmen, wie Zutrittskontrollen, Notstromversorgung und bauliche Sicherheitsvorkehrungen, sind im Sinne des KRITIS-Dachgesetzes zu integrieren.
Zudem müssen Schnittstellen zu staatlichen Behörden und zur Bundeswehr geschaffen werden, um im Rahmen des OPLAN DEU koordiniert reagieren zu können.
Nicht zuletzt sind Resilienzstrategien zu entwickeln, die eine Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit nach Störungen gewährleisten. Dazu zählen redundante Systeme, alternative Kommunikationswege und umfassende Notfallpläne. Auch die regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung dieser Maßnahmen ist unerlässlich, um der dynamischen Bedrohungslage gerecht zu werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die geopolitische Lage Deutschlands im Jahr 2025 von hoher Unsicherheit und multiplen Krisen geprägt ist. Der Operationsplan Deutschland bietet einen wichtigen Rahmen zur Koordination der nationalen Verteidigung und zur Sicherung kritischer Infrastrukturen.
Die Ausgangsfrage muss mit einem klaren Nein beantwortet werden. Der Operationsplan Deutschland sowie die geplanten Gesetzesinitiativen stellen zwar wichtige Bausteine für eine koordinierte Sicherheitsstrategie dar, reichen aber allein nicht aus, um den komplexen Herausforderungen einer neuen Ära der Unsicherheit vollumfänglich zu begegnen.
Die aktuellen Maßnahmen bleiben in Teilen fragmentiert: Während der OPLAN DEU vorrangig auf zivil-militärische Zusammenarbeit abzielt, sind gesetzliche Regelungen wie das KRITIS-Dachgesetz und das NIS2-Umsetzungsgesetz entweder noch nicht verabschiedet oder setzen einseitig auf digitale Resilienz.
Was fehlt, ist ein ganzheitlicher, integrierter Sicherheitsansatz, der physische, digitale und geopolitische Bedrohungslagen gleichermaßen berücksichtigt. Zudem ist eine stärkere Einbindung privatwirtschaftlicher Akteure und eine konsequente Umsetzung durch Bund, Länder und Kommunen erforderlich.
Erst wenn strukturelle Lücken geschlossen, gesetzliche Rahmenbedingungen harmonisiert und Resilienzmaßnahmen dauerhaft etabliert sind, kann Deutschland den Anforderungen dieser neuen sicherheitspolitischen Realität nachhaltig gerecht werden.
Autor: Holger Berens (BSKI e.V.)
Erstmals erschienen in: Crisis Prevention 3/2025
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