In der vergangenen Woche kam er im Gebiet der Polizei Bonn tatsächlich mit Stromschuss zum Einsatz, schreibt der Generalanzeiger: Die Rede ist vom Taser. Das Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) gehört seit 2022 zur Ausstattung der Bonner Landespolizeibehörde. Wir haben mit André Luhmer, Chefredakteur des Fachmagazins Crisis Prevention und aktiver Polizist in Bonn, über das Gerät gesprochen: über die Technik, den Einsatz, die Chancen und Risiken.
Dass der Taser tatsächlich abgeschossen wird, ist eine Ausnahme, sagt André Luhmer. In vier von fünf Fällen würde es seiner Angabe nach zur Deeskalation einer Situation genügen, den Einsatz des Geräts anzudrohen, ohne ihn auszulösen. In diesem Fall wird der Taser zwar gezogen, aber noch nicht auf das Gegenüber gerichtet. Ein Lichtbogen und ein surrendes Geräusch kündigen die möglichen Folgen an. Dennoch darf das Distanzelektroimpulsgerät, wie der Taser vollständig heißt, in einer Einsatzlage nicht ohne eine akute Bedrohung oder Gefahr gezogen werden: Es handelt sich rechtlich um eine Waffe. Nach dem Ziehen des Tasers aus der Außentragehülle der Schutzweste müssen die Polizeibeamten die Bodycam aktivieren.
Verschiedene Einsatzmöglichkeiten
André Luhmer beschreibt mehrere Einsatzmodi, die nach der Androhung des Gebrauchs folgen können. Eine Variante, die in Bonn allerdings nicht zum Einsatz kommt, ist der sogenannte Kontaktmodus. Dabei würde der Taser direkt an die Haut des Täters gehalten und so der Strom direkt vom Gerät in den Körper geleitet werden.
Viel eher wird der Taser über den Abschuss von Pfeilelektroden benutzt: Mit zwei Laserpunkten können die Polizeibeamten auf ihr Gegenüber zielen und so die Flugbahn der Pfeilelektroden vorbestimmen. Nach Abschuss lösen sich die Elektroden aus dem Gerät und fliegen mitsamt einem Draht auf den Täter zu, die Widerhaken bohren sich in dessen Haut. Zwischen den Elektroden wird dann ein Stromkreis geschlossen, der Strom wird in die Muskulatur geleitet, die daraufhin für bis zu 30 Sekunden lang versteift. Der Täter geht bewegungslos zu Boden und kann von den Beamten fixiert werden.
Nach Abschuss verbleiben die Elektroden zunächst im Körper des Täters. Sollte es zu weiteren Gefährdungssituationen kommen, könnte ein zweites Mal Strom abgegeben werden. Die Bonner Polizeibeamten sind zwar darauf geschult, die Elektroden sachgemäß aus dem Körper zu entfernen, allerdings wird in der Regel bei Anwendung des Tasers ein Rettungswagen zur Einsatzstelle gerufen. Bei Bedarf würde der Täter zunächst in ein Krankenhaus gebracht werden und danach auf die Wache. Nur so könne man sicherstellen, dass der Täter schlussendlich auch haftfähig sei, sagt André Luhmer.
Chancen und Grenzen von Tasern
Distanzelektroimpulsgeräte schließen aus André Luhmers Sicht eine bislang bestehende Lücke zwischen Schlagstock, Pfefferspray und der Schusswaffe. Allerdings ist der Taser kein Wundermittel, es gibt Grenzen im Einsatz.
Damit der Abschuss der Pfeilelektroden erfolgreich ist, müssen die Elektroden in einem Abstand von etwa 30 Zentimetern auf dem Körper des Täters aufkommen und sich in der Haut verankern. Letzteres ist vor allem im Winter schwierig: Gegen eine dicke Winterjacke und weitere Kleidungsschichten kommen die Widerhaken oft nicht an.
Nicht nur der Abstand der Elektroden auf dem Körper der Zielperson, sondern auch die Abschussdistanz sind essenziell: Das Gegenüber darf nicht zu nah und nicht zu weit weg vom Polizeibeamten stehen, denn der Taser funktioniert nur auf Distanzen zwischen 1,50 und 7 Metern.
Zuletzt muss auch die Gefährdungssituation abgeschätzt werden: Für akute Gefahren bei zu starker Bewegung des Täters ist das DEIG ungeeignet. „Aus einsatztaktischer Sicht muss man auf der Straße einfach ganz genau erkennen, wo die Grenzen des Tasers sind“, sagt André Luhmer, „nämlich bei Messerangriffen, zu viel Kleidung und falschen Distanzen. Man muss immer Alternativen im Kopf haben, falls der Taser nicht wirkt.“
Als Alternativen seien die Fixierung per Hand oder der Einsatz von Mischbewaffnung, also die Kombination mehrerer Einsatzmittel im Team denkbar.
Hoher Fortbildungsaufwand
Taktische Entscheidungen wie zum Beispiel die Abwägung von Mischbewaffnung müssen Polizisten in Lagetrainings immer wieder einüben, damit im Ernstfall auch ad hoc Entscheidungen getroffen werden können. Damit die Bonner Polizeibeamten den Taser im Streifendienst nutzen dürfen, musste das gesamte Personal im Wach- und Wechseldienst für die Nutzung des angeschafften Modells geschult werden. Etwa eine Woche dauerte die Fortbildung, in der neben Theorie auch Praxisinhalte gelernt wurden. Darüber hinaus muss jedes Jahr im Rahmen einer Tagesfortbildung eine Rezertifizierung stattfinden.
Der Fortbildungsaufwand ist also auf die gesamte Menge an Personal gesehen ziemlich hoch, doch unerlässlich: Auch wenn die Tödlichkeit des Tasers gegenüber Schusswaffen deutlich geringer ist, ist Anwendungssicherheit ein absolutes Muss.
Fazit
„Die Waffe des Polizisten ist das gesprochene Wort. Aber es gibt Lagen, in denen das nicht ausreicht und man taktisch nicht weiterkommt. Unser Ziel ist immer eine Beendigung der Lage, ohne dass Zwang angewendet werden muss. Der Taser ist eine neue taktische Möglichkeit, die nicht letal ist“, sagt André Luhmer.
Er begrüßt es sehr, dass in seiner Polizeibehörde das Distanzelektroimpulsgerät Taser 7 von Axon verwendet wird. Er habe sich seit der Einführung 2022 insbesondere im Zusammenhang mit der Bodycam desselben Herstellers bewährt.
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