Der Rettungsdienst zwischen Alltag und Krieg

Wie kaum eine zweite Ressource der medizinischen Versorgung steht der Rettungsdienst in Deutschland in der Zeitenwende an der Schnittstelle zwischen alltäglicher Versorgung und möglichen kriegsbedingten Massenanfällen von Verletzten und Erkrankten. Was für Viele in Deutschland immer noch graue Theorie ist, hat sich in den Konflikten in der Ukraine und auch in Israel tatsächlich als real dargestellt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) wertet diese Herausforderungen im Projekt „Healthcare in Danger“ schon seit vielen Jahren aus und trifft Ableitungen für die betroffenen nationalen Gesellschaften der Bewegung.

Rettungsdienst im Alltag und im Kriegsfall
Symbolbild
Bild: KI-generiert

Rettungsdienst und Zeitenwende

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass Ereignisse, Verfahren und Wirkmittel, wie sie in einer kriegerischen Auseinandersetzung zur Anwendung kommen, wenn sie sich als erfolgreich erweisen, unter anderen, auch alltäglichen, Rahmenbedingungen erneut angewendet werden.  Das bedeutet zum Beispiel, dass die medizinische Versorgung gezielt geschwächt wird, um so die Moral und den Durchhaltewillen von Soldatinnen und Soldaten, aber eben auch der Zivilbevölkerung nachhaltig zu schwächen.

Wie geschieht so etwas? Zum Beispiel werden bewaffnete Drohnen mit großer Reichweite eingesetzt, die darauf programmiert sind, das Schutzzeichen „Rotes Kreuz auf weißem Grund“ zu erkennen und zu bekämpfen. Was auf dem Gefechtsfeld möglich ist und real geschieht, sollte uns für die „Homebase“ in Deutschland zumindest zum Nachdenken über die Frage eines Schutzniveaus für den Rettungsdienst und das Personal bringen.

Second hit – Der zweite Schlag

Ebenso hat sich auf den Gefechtsfeldern unserer Zeit leider etabliert, dass medizinische Einsatzkräfte, die im Rahmen einer kurzen Hilfsfrist am Einsatzort erscheinen, durch einen nach kurzer Frist erfolgenden Zweitschlag getroffen werden. Dies wird inzwischen häufig flankiert durch den Einsatz solcher Waffen und Munition, die für die Menschen auf dem Gefechtsfeld nicht tödlich sind, sondern verstümmelnde Wirkung haben.

Es geht also darum, dem Gegner eine möglichst umfassende und schwere, nicht aber eine tödliche Verletzung zuzufügen. Dadurch werden möglichst viele medizinische Einsatzkräfte und rettungsdienstliche Ressourcen gebunden und damit selbst verwundbar. Militärische Einsätze, aber auch zivile Lagen, wie etwa die Corona-Pandemie, haben in den letzten Jahren real gezeigt, dass die medizinische Hochwert-Ressource Rettungsdienst außerordentlich gefährdet ist.

Rettungsdienst kriegstüchtig machen

Es wird hier nicht die Frage zu betrachten sein, ob man sich einen kriegstüchtigen Rettungsdienst wünscht oder nicht. Im Sinne der Verantwortung für die Menschen, die tagtäglich im Einsatz für die Rettung von Menschenleben sind und sich dazu auch in risikobehaftete Situation begeben, muss das bisherige System des deutschen Rettungsdienstes weiterentwickelt werden. Sie müssen über ein hinreichendes Maß an Kompetenzen verfügen und diese auch jederzeit anwenden dürfen.

Der Rettungsdienst darf nicht allein gelassen werden und der Notnagel für eine fehlende anderweitige Versorgung sein. Daher ist eine Weiterentwicklung und Reform des Rettungsdienstes zwingend in Bezug zur aktuellen Reform der Krankenhausversorgung zu setzen und die Bereichsausnahme nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist, im Sinne der Sicherheitsvorsorge in der Gefahrenabwehr, konsequent anzuwenden. Gerade im Kontext einer Landes- und Bündnisverteidigung braucht es ein engmaschiges Versorgungsnetz, dass von friedensmäßigen Bedarfen erheblich abweichen kann.

Gegebenenfalls muss überlegt werden, wie Finanzmittel aus dem Sondervermögen des Bundes für Infrastruktur unter der Rubrik Zivil- und Bevölkerungsschutz auch für diese Zwecke verwendet werden können. Gesundheitsversorgung ist schließlich immer Kritische Infrastruktur und Verteidigungsminister Boris Pistorius hat nicht ohne Grund den Sanitätsdienst der Bundeswehr als „moralisch-gesundheitliches Rückgrat der Truppe“ bezeichnet. Dies gilt in gleicher Weise für das Gesundheitssystem und die Zivilbevölkerung.

Resümee

Der Rettungsdienst steht an der Schnittstelle von Alltag und Krieg. Sogar dann, wenn Methoden und Verfahren des Krieges im Alltag zur Anwendung kommen. Mit jeder kriegerischen Auseinandersetzung, mit jedem „Lessons learned“, mit jedem „Erfolg“ steigt dazu die Wahrscheinlichkeit. Schutzniveau, Kräftedispositiv, standardisierte und vereinheitlichte Kompetenzen und Befugnisse und enge Verknüpfung mit anderen Reformvorhaben der Gesundheitsversorgung in Deutschland sind für die Zukunftsfähigkeit des deutschen Rettungswesens entscheidend.

Und es braucht dazu auch endlich ein Gesundheitssicherstellungsgesetz. Also: Viel zu tun!

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