Zivilschutz stellt eine der beiden Säulen der deutschen Gesamtverteidigung dar und ist in Zeiten politischer Unsicherheit wichtiger denn je. Dem besonderen Wert von Krankenhäusern, deren Planung und der Krankenhausreform widmete sich das diesjährige CP-Symposium, das am 10. Dezember 2024 in Berlin stattfand.
„Wir werden mit diesem Symposium keine fertigen Lösungen liefern“, macht der Moderator, Generalarzt Dr. Bruno Most, Stellvertretender Kommandeur im Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung der Bundeswehr, deutlich. Dennoch seien konstruktive Diskussionen zwischen den Teilnehmenden aus Politik, Interessensverbänden und Industrie ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem resilienten Gesundheitssystem und zu einer zivilgerüsteten Gesellschaft.
Es sei für die nahe Zukunft insbesondere wichtig die Gesellschaft auf denkbare Krisenszenarien vorzubereiten und die Relevanz von Zivilverteidigung und Bevölkerungsschutz im öffentlichen Diskurs zu verdeutlichen – bislang stehe nämlich vor allem die militärische Verteidigung im medialen Fokus, sagt Generalarzt Dr. Most.
„Eine resiliente Gesellschaft ist eine Antwort auf einen militärischen Akt von außen. Je stärker eine Gesellschaft stabil steht in einer solchen Situation, umso schwerer hat es natürlich auch ein potenzieller Angreifer“, fügt BBK-Präsident Ralph Tiesler in diesem Sinne hinzu. In Bezug auf die Relevanz von ziviler Resilienz waren sich auch die weiteren Redner des Tages einig.
Krankenhausreform: Geld ohne Leistung
Deutlich mehr Diskussionsbedarf zeigte sich im Kontext der Krankenhausreform, die am 22.11.2024 vom Bundesrat gebilligt worden ist und umfassende Veränderungen in der medizinischen Versorgungslandschaft und der Finanzierung der Krankenhäuser vorsieht. Insbesondere die geplante Vorhaltevergütung, durch die Krankenhäuser schon für das Bereithalten von Leistungen unabhängig von deren tatsächlicher Erbringung Geld erhalten, beherrschte den Diskurs des Symposiums. Prof. Dr. Tom Bschor, Koordinator der Regierungskommission zur Krankenhausreform, hebt besonders positive Effekte durch die anvisierten Veränderungen hervor und steht damit in Einklang mit der Meinung von Michael Weller vom Bundesministerium für Gesundheit, der das bislang geltende Prinzip der dualen Finanzierung von Krankenhäusern, die abzuschaffende Vergütung durch diagnosebezogene Fallpauschalen und das aufzulösende organisatorische Nebeneinander von ambulanter und stationärer Versorgung bemängelt.
Während Dr. Bschor und Weller somit die Ansicht vertreten, dass die Krankenhausreform, genauer das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), Bürokratie und ökonomischen Druck, nicht aber das Maß des Bevölkerungsschutzes verringern werde, waren im Laufe des Tages aus dem Fachpublikum und von Seiten verschiedener Interessensgemeinschaften deutlich kritische Stimmen zu vernehmen, die gerade den im Gesetzesnamen verankerten Punkt der „Verbesserung“ stark anzweifeln.
Dr. Gerald Gaß von der Deutschen Krankenhausgesellschaft hält die politisch-positiven Ausführungen zur Vorhaltefinanzierung für „fachlich falsch“: Kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum verlören an Leistungsgruppen und somit an faktischem Erlös sowie notwendigen Deckungsbeiträgen. Dies führe langfristig zu weniger Kapazität und damit zu einer Personalanpassung nach unten, um die Kostenstrukturen des neuen Systems erfüllen zu können. Dr. Gaß geht sogar so weit zu behaupten, dass der aktuelle Umstand, dass „80 Prozent der Krankenhäuser rote Zahlen“ schrieben, ein politischer Kniff sein könne, um die mangelhafte Krankenhausreform überhaupt argumentativ durchsetzen zu können.
Zudem stelle die Umsetzung dieser Reform seiner Meinung nach eine Gefahr für die zivile Verteidigung dar, da der Krisenfall im KHVVG bislang nicht mitbedacht worden sei, wie auch ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im April 2024 bestätigt habe. Dieser Mangel wirke sich ebenso auf die Krankenhausalarm- und -einsatzplanung (KAEP) aus, die im Nachgang an eine Umsetzung der Krankenhausreform von jedem Bundesland im Detail zu überarbeiten sei. Außerdem bedauert Gaß, dass die geplanten Veränderungen bislang aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft „nicht in ausreichendem Maße“ zwischen der Interessensgemeinschaft und dem Bundesministerium für Gesundheit diskutiert worden seien, da der Großteil der Veränderungen schlussendlich von den Krankenhäusern als ausführende Kraft umgesetzt und im Alltag erlebt werden müssten.
„Es wird geredet, es wird nicht gelernt“
Eine ebenfalls kritische Position nimmt Prof. Dr. Thomas Wurmb von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Krankenhaus Einsatzplanung (DAKEP) ein. Während Dr. Gaß die mangelnde gemeinsame Diskussion zum Anlass für Kritik nimmt, positioniert sich Dr. Wurmb, der neben dem Engagement in der DAKEP auch Leiter der Sektion Notfall- und Katastrophenmedizin am Uniklinikum Würzburg ist, als der wissenschaftliche Pragmatiker:
„Es wird geredet, es wird nicht gelernt. Wir brauchen keine Strategiepapiere mehr, wir brauchen operatives Umsetzungszeug. Wir brauchen den Gummi der Reifen auf der Straße und nicht eine konzeptionelle Überlegung, wie wir neue Reifen machen.“
Seinen direkten Worten stimmte das Fachpublikum beim Symposium mit Applaus deutlich zu: „Wir müssen im Bündnisfall die alliierten Streitkräfte versorgen; wir müssen tausend – plus minus X – an Verwundeten versorgen, die pro Tag über die Drehscheibe nach Deutschland kommen; wir müssen Flüchtlinge versorgen, Kriegsgefangene versorgen und natürlich müssen wir unsere Bevölkerung versorgen.“
Neben der immensen Versorgungslast, auf die sich das deutsche Gesundheitssystem schon zu Friedenszeiten für den Ernstfall vorbereiten müsse, bleibe ebenfalls zu bedenken, „was denn geschehe, wenn die Gesundheitseinrichtungen selbst Fokus“ von militärischen Angriffen würden, wie es sich am Beispiel des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine beobachten lasse. Für dieses Szenario existiere laut Dr. Wurmb nur die pragmatische Vorgehensweise, die wichtigsten Räume eines Krankenhauses zunächst zu identifizieren und anschließend „unterirdisch, beschusssicher, kurzfristig aktivierbar und mit Dekontaminationsmöglichkeiten“ zu realisieren. Er wisse, er fordere damit „Unmögliches“, weist aber darauf hin, dass dies benötigt würde, um im Bündnis- und Landesverteidigungsfall auf ein robustes Gesundheitssystem zurückgreifen zu können – da dürfe es am Ende „nicht auf 20.000 Euro ankommen“.
Die Säule Ehrenamt
Ein Gesundheitssystem mit ausreichenden Kapazitäten sowohl an Raum als auch an Personal und Material, stellt einen Idealzustand dar. Da dies aus der heutigen Sicht eher den Status einer scheinbar unerreichbaren Utopie einnimmt, sei es unerlässlich die Resilienz der zivilen Gesellschaft in den Blick zu nehmen und zu erhöhen „für den Fall, dass der Rettungswagen eben nicht in 15 Minuten vor der Tür steht“, so eine Schlussfolgerung durch den BBK-Präsidenten Tiesler.
Einen schon bestehenden Teil der Selbstschutzfähigkeiten der Bevölkerung sieht Tiesler im Ehrenamt. Aktuell engagieren sich etwa 1,7 Millionen Menschen in Deutschland ehrenamtlich für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, wobei die Verlässlichkeit dieser Zahl nicht sicher sei, da viele Personen in mehreren Organisationen gleichzeitig aktiv seien. Doch selbst ohne diese Unsicherheitsparameter genüge laut Tiesler dieses Engagement noch nicht, um im Ernstfall über eine standfeste Zivilverteidigung zu verfügen. Es herrscht also ein deutlicher Verbesserungsbedarf, der neben der Überwindung finanzieller Hürden vor allem in einer Erhöhung des entsprechenden Bewusstseins innerhalb der Bevölkerung besteht.
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