Autarke Breitbandnetze im Katastrophenfall

Ein Metal-Festival als Testumgebung für ein Forschungsprojekt? Was auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheint, war für das Team des Forschungsprojekts 5G-Opportunity eine einmalige Gelegenheit, um auf dem Summer Breeze Open Air 2024 die Forschungsergebnisse für eine innovative Kommunikationslösung im Zivil- und Katastrophenschutz zu erproben. Gemeinsam mit dem Malteser Hilfsdienst konnten die Einsatzabschnittsleitungen zuverlässig über WLAN-Richtfunk miteinander verbunden werden. Um auch auf dem Festivalgelände selbst den mobilen Einsatzkräften einen Netzzugang zu bieten, wurde eine Kombination aus WLAN- und 5G-Access verwendet. Ein zentrales Forschungsziel war der flexible Einsatz von 5G-Frequenzen: Freies Spektrum sollte vor Ort mit speziellen Messgeräten erkannt werden, um dann opportunistisch genutzt werden zu können.

Kommunikationsnetz der Malteser bestehend aus Richtfunkverbindungen, 5G- und WLAN-Access.
Kommunikationsnetz der Malteser bestehend aus Richtfunkverbindungen, 5G- und WLAN-Access.
Illustration: BDMS 5GOpportunity Verbundprojekt

Das Summer Breeze Open Air ist ein Festival in Dinkelsbühl, zu dem seit vielen Jahren ungefähr 40.000 Metalbegeisterte pilgern, um an vier Tagen mehr als 100 Bands zu sehen. Wegen der Größe des Events ist der Veranstalter dazu verpflichtet, die medizinische Versorgung der Gäste zu gewährleisten, welche der Malteser Hilfsdienst e.V. seit einigen Jahren übernimmt. Mit rund 300 Einsatzkräften als Fußtrupps, in Sanitätsstationen, in einem größeren Medical Center und in der dazugehörigen Führung und Logistik wurden im Einsatzzeitraum rund 2500 sanitätsdienstliche Versorgungen durchgeführt.

Auf dem Festivalgelände ist ähnlich wie bei Großschadenslagen kaum Infrastruktur vorhanden, wodurch sowohl eine IT-Netzinfrastruktur als auch eine Stromversorgung mit hohem Ausfallschutz von Grund auf errichtet werden musste. Diese Gegebenheiten waren ideal, um die Forschungsergebnisse der Projektpartner des BMDS-geförderten Projekts 5G-Opportunity (www.5g-opportunity.de) – das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT), die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) – in einem realitätsnahen, aber planbaren Szenario zu erproben.

Breitbandkommunikation mit WiBACK

Grundlage des Kommunikationsnetzes war das WLAN-Richtfunksystem WiBACK (www.wiback.org), welches vom Fraunhofer FIT entwickelt wurde und bereits bei den Maltesern im Einsatz ist. WiBACK wurde speziell für Einsatzlagen im Zivil- und Katastrophenschutz entwickelt, wo weder stabile Stromversorgung, Netzabdeckung noch technisches Personal verfügbar sind. Das System funktioniert autark, fehlertolerant und automatisiert.

Nach der Stromversorgung erkennen sich die Knoten automatisch, stimmen sich ab und stellen eine stabile Verbindung her – ohne manuelle Konfiguration. Selbst bei Störungen reorganisiert sich das Netz in Echtzeit. Ein großer Vorteil: WiBACK nutzt lizenzfreie 5 GHz-Frequenzen, wodurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Auch der Frequenzbereich von 5,15–5,25 GHz wird unterstützt, der den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit erhöhter Sendeleistung vorbehalten ist. WiBACK ist technologieoffen und kann somit mit verschiedenen Übertragungsarten wie mmWave, Feldkabel oder IP-Tunneln kombiniert werden.

Im Projekt wurde WiBACK gezielt weiterentwickelt. Ein zentrales Element war dabei das Network Slicing. Dabei können innerhalb eines physischen Netzwerks mehrere logisch getrennte Teilnetze, die sogenannten Slices, betrieben werden. Jeder Slice funktioniert wie ein eigenes Netzwerk mit zugesicherten Ressourcen und Prioritäten.

Im Katastrophenschutz lässt sich so verschiedenen BOS ihr eigenes Netz innerhalb der gleichen Infrastruktur zur Verfügung stellen. Auch für die betroffene Bevölkerung kann ein niedrig priorisierter Slice den Zugang zu Informationen und den Kontakt zu ihren Familien ermöglichen. Um das 5G-Spektrum opportunistisch nutzen zu können, wurde die Primärnutzer-Erkennung konzeptionell verallgemeinert. WiBACK unterstützt bereits Dynamic Frequency Selection (DFS), was in bestimmten WLAN-Kanälen notwendig ist, um Radare zu erkennen. Mit der Verallgemeinerung können nun auch weitere Frequenzbereiche unterstützt werden – unter Berücksichtigung der Messwerte von externen Sensing-Geräten oder Datenbanken.

Netzplanung unter Einsatzbedingungen

Neben dem Tetra-Funk zur Sprachkommunikation zwischen Erstversorgungstrupps, Fahrzeugen und Sanitätsstationen war das WiBACK-Netz fest in die Einsatzkommunikation eingeplant, um die Einsatz- und Abschnittsleitungen mit dem Führungsunterstützungssystem zu verbinden. Durch die Integration von Network Slicing in das System konnte der reguläre Datenverkehr der Malteser unabhängig von dem restlichen Feldtest laufen. Die Hälfte der Netzwerkressourcen wurde fest den Maltesern zugeordnet. 40 % erhielten die erforschten Zugangsmethoden und 10 % die Hilfskräfte zum privaten Surfen.

Das in Abb. 1 gezeigte Netz wurde so aufgebaut, dass die Standorte der Leitstelle und der Sanitätsstationen vernetzt wurden. Für optimale WLAN-Richtfunkstrecken muss Sichtverbindung bestehen, weswegen die Antennen an Masten in mehreren Metern Höhe befestigt werden mussten. Die Topografie und Sicherheitsauflagen machten die Installation herausfordernd – eine typische Situation auch in echten Katastrophenszenarien. Eine Hügelkuppe mit 13 Metern Höhenunterschied erstreckte sich mittig durch das Gelände. Auch Wälder und hohe Maisfelder störten die Sichtverbindungen.

Auf dem Festivalgelände und den Zeltplätzen konnten wegen der laufenden Veranstaltung keine Antennenmasten aufgebaut werden. Zusätzlich war auf dem benachbarten Flugplatz aktiver Flugbetrieb inklusive Luftrettung, der bei der Netzplanung ebenfalls berücksichtigt werden musste. Deshalb wurden die Untereinsatzabschnittsleitungen (UEALs), die keine direkte Sichtverbindung zur Leitstelle hatten, über einen autarken Relais-Knoten angebunden, welcher in einem Feld im Norden des Geländes aufgebaut wurde.

Durch die exponierte Lage eignete sich der Standort auch, um die 5G-Basisstation (gNodeB), zu platzieren. Es wurde auch eine zweite 5G-Zelle als ein simulierter Primärnutzer aufgestellt, um mögliche Störszenarien darzustellen und zu analysieren.

Solarbetriebener Netzwerk-Knoten im Feld mit WLAN-Richtfunk und 5G-Basisstation.
Solarbetriebener Netzwerk-Knoten im Feld mit WLAN-Richtfunk und 5G-Basisstation.
Foto: BDMS 5GOpportunity Verbundprojekt

Autarker Netzwerkknoten

Wie in Abb. 2 zu sehen, stellte die Basis für den Relais-Knoten ein Anhänger der Malteser dar, an dem ein Pneumatik-Mast montiert wurde. Im Feld gab es keinen Zugang zum Stromnetz, weswegen der Knoten über eine autarke Stromquelle verfügen musste.

Auf dem Dach des Anhängers waren Solarzellen mit 800 Watt Leistung verbaut, die über einen Laderegler einen großen Akku laden und verschiedene Verbraucher versorgen konnten. Für den Feldtest waren die Verbraucher die gNodeB (35 W), ein WiBACK-Knoten (7 W) und eine LED (3 W). Der durchschnittliche Stromverbrauch von nur 45 W lag weit unter dem Wert, den die Stromquelle hätte liefern können, und die Stromversorgung war stabil während des gesamten Einsatzes. Durch vorbereitete Aluminiumprofile, an denen die Hardware schon vorher montiert worden war, konnte der Montageaufwand vor Ort reduziert werden.

Stabile Kommunikation trotz hoher Funkauslastung und unerwarteten Störern

Während des Festivalbetriebs wurde das 5-GHz-WLAN-Spektrum nicht nur durch den WiBACK-Richtfunk genutzt. Messungen zeigten viele WLAN-Zellen des Veranstalters, der Bühnentechnik und der Verkaufsstände – insbesondere im BOS-Frequenzbereich von 5,15 – 5,25 GHz. Dieser darf „indoor“ allgemein genutzt werden und typische Access-Points erkennen nicht zwingend, ob sie „outdoor“ betrieben werden.

Dieses Problem dürfte bei vielen ähnlichen Events auftreten und es sollte im Voraus überlegt werden, wie man mit – nicht unbedingt böswilligen – Störquellen umgeht. Ein „Freiräumen“ des Spektrums wäre rechtlich möglich, aber ggf. kaum praktisch umsetzbar. Die Malteser waren nicht auf dieses Frequenzband angewiesen, da das WiBACK-System alternative wenig benutzte WLAN-Frequenzen identifizieren konnte.

Der tatsächlich genutzte Datendurchsatz im Netz durch die Malteser lag bei rund 10 Mbit/s. Dies zeigt, dass aktuell in typischen Einsatzszenarien im Katastrophenschutz keine besonders hohe, aber eine zuverlässige Bandbreite erforderlich ist. Auch bei temporären Lastspitzen durch Tests und private Nutzung blieb das Netz unter seiner Kapazitätsgrenze.

Einfache und sichere Zugangskontrolle

Ein sicherer Netzzugang hängt unabhängig von der Technologie von robusten Authentifizierungsmechanismen ab. Wie beim Mobilfunkvertrag können sich Personen mit einer SIM-Karte im privaten 5G-Netz identifizieren und erhalten damit gesicherten Zugriff.

Mehrere Smartphones mit den entsprechenden SIM-Karten wurden für den Feldtest an die Hilfskräfte ausgegeben. Dieselbe SIM-Karte konnte auch dazu verwendet werden, um sich bei den WLAN-APs an den Sanitätsstationen anzumelden. Sobald sich ein Smartphone in der Nähe eines WLAN-APs befand, wurde automatisch von 5G auf WLAN gewechselt. Damit kann die 5G-Zelle entlastet und erweitert werden. Mit SIM-Karten lässt sich der Konfigurationsaufwand minimieren und Endgeräte eindeutig identifizieren, um verschiedenen Nutzergruppen und Slices zugeordnet zu werden.

Empfangsleistung der 5G-Zelle auf dem Festivalgelände.
Empfangsleistung der 5G-Zelle auf dem Festivalgelände.
Illustration: BDMS 5GOpportunity Verbundprojekt

Auf den Smartphones lief im Hintergrund eine App, die unterschiedliche Statistiken zur 5G-Verbindung gesammelt hat. Auf Basis der gemessenen Daten wurde die in Abb. 3 dargestellte Karte zur Verbindungsqualität erstellt. Daraus wird ersichtlich, dass die 5G-Zelle das gesamte Infield mit guter Empfangsleistung abgedeckt hat und die WLAN-APs das 5G-Netz sinnvoll erweitert haben.

Die Smartphones wurden von den Hilfskräften genutzt, um Nachrichten und Fotos zu Testzwecken auszutauschen. In ihre Arbeitsabläufe waren sie jedoch nicht fest integriert. Als die mobilen 5G-Zellen der öffentlichen Mobilfunkbetreiber während der Konzerte mit der hohen Dichte der Smartphones vor den Bühnen überlastet waren, bot das private 5G-Netz im eigenen Spektrum weiterhin eine zuverlässige Verbindung.

Flexible Frequenznutzung durch Spectrum-Sensing

Ein zentrales Forschungsziel des Projekts ist die opportunistische Nutzung des 5G-Campusspektrums (3,7–3,8 GHz), welche bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragt werden kann. Da 5G-Campusnetze in Deutschland aktuell flächenmäßig kaum genutzt werden, könnte dieses Frequenzband im Einsatzfall von den Hilfskräften für nomadische 5G-Netze verwendet werden.

Die Idee von 5G-Opportunity ist es, mithilfe des sogenannten Spectrum-Sensings vor Ort zu messen, in welchen räumlichen Bereichen dieses Spektrum aktiv genutzt wird. Deshalb wurde im Feldtest eine zweite 5G-Zelle eines emulierten Primärnutzers errichtet. An verschiedenen Standorten wurden Messungen zur Empfangssignalstärke und zur spektralen Leistungsdichte durchgeführt. Die gesammelten Daten wurden ausgewertet und in sogenannte Radio Environment Maps übertragen. Diese Karten konnten zeigen, dass in dem Gebiet bereits das 5G-Netz des emulierten Primärnutzers aktiv ist.

Es lässt sich der Einflussbereich des aktiven Netzes abschätzen und mögliche Abdeckungsgrenzen sichtbar machen. Auch andere Störquellen im Funkbereich können so erkannt und deren Einflussbereich eingegrenzt werden. Durch die Analyse der Radio Environment Maps kann dann entschieden werden, wie das 5G-Netz der BOS eingestellt werden sollte, um freie Frequenzressourcen optimal zu nutzen und einen sicheren und störungsfreien Betrieb zu gewährleisten.

Erwartungen vollständig erfüllt

Während des Festivals stand den Maltesern ein zuverlässiges Kommunikationsnetz zur Verfügung, sodass deren Erwartungen vollständig erfüllt werden konnten. Aus dem Feldtest ergaben sich wichtige Erkenntnisse zu Optimierungspotentialen, welche teilweise direkt im Nachgang umgesetzt werden konnten.

Die Lösung für die Kommunikation im Zivil- und Katastrophenschutz liegt nicht in einzelnen Kommunikationsmitteln, sondern in der Verfügbarkeit eines möglichst großen Baukastens an Lösungsansätzen und deren einfacher Kombination. Private 5G-Zellen erweisen sich hier als eine sinnvolle Erweiterung. Jedoch müssen dazu die gesetzlichen Regelungen angepasst werden, sodass Frequenzen im Rahmen der Gefahrenabwehr opportunistisch genutzt werden dürfen, kurzfristig und flexibel beantragt werden können oder den BOS ein dediziertes Spektrum zur Verfügung steht.

Autoren: Konrad Horbach, Rolf Schmidt, Bastian Perner, Michael Rademacher

Erstmals erschienen in: Crisis Prevention 3/2025

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